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pool #28 22.12.-31.12.1999

pool #27 / pool #29



lost in music:

und schon werden die Tage wieder länger, zumindest nicht mehr kürzer, bald werden sie tatsächlich länger, ich meine, eigentlich bleiben die Tage immer gleich lang, die Nächte werden wieder kürzer, vorerst zumindest nicht länger, ich meine, seltsam: der Winter beginnt mit dem allmählichen Längerwerden der Tage, ich meine, mit dem Kürzerwerden der Nächte, seltsam: die Tage werden wieder länger und trotzdem wird es immer noch kälter, vorerst zumindest

let's get lost
let's defrost
permasex klingt gut

am liebsten fotografiere ich weiße Hunde im Schnee

Abb.: Cane tedesco


Andreas Neumeister Mjunik, - 22.12.99 at 01:12:54




Lieber S.
Ohne Strom kann ich dir nicht schreiben. Sonderbar. Bist du im Strom? Ich habe nie darueber nachgedacht, ueber dich.Jemand wollte eine Geschichte und ich schrieb ihnen die Geschichte von dir und mir. Sehr ploetzlich, ich weiss. Jetzt kann ich nicht aufhoeren zu schreiben. So wie nach einem Gespraech, der andere schon gegangen,der Strom der Ideen nicht abreisst. Ich bin selbst schuld.
Jetzt an einem Ort mit Strom, mit vielen anderen, die Briefe in die Tastaturen tippen. Die kurze Zeit laesst keine Platz fuer Liebesbriefe, oder doch? Ich haette gerne alle ihre Briefe, aneinandergereiht wie ein endloser Text.
Special pool from Khlong Dao Internet. Der Fluss der Texte, die Fortsetzung sind von etwas Verborgenem. Das endlose weiter der Worte, die man den stillen Gesichtern vor ihren Monitoren nicht ansieht.
Ich muss los, die anderen warten auf mich, ciao.


Sven L. Koh Lanta, - 22.12.99 at 11:13:52




AMUSEMENT DURCH KÜNSTLICHES BLUT
Die Matratze roch nach Massageöl und Clary Sage. Ein Gefängnisarzt kontrollierte meine Augen. Dabei geisterte ein ganzer Katalog von Sätzen durch mein Bewusstsein:
1. Demi trägt Mundschutz gegen BAKTERIENSTAUB
2. Jennifers Schamlippen trocknen ein, seit sie BRAIN BOOSTER Tabletten schluckt
3. Puff Daddy blockiert die Fettaufspaltung!
4. Bruce behauptet: Lieber tot als entehrt.
5. Gwyneth feeds the machine with TWIN LAB POWDER (creativ power)
6. Ich existiere unter Bedingungen, die mir das Gefühl geben, in der Falle zu sitzen.

(JACKIE! - Ein Body-Bildungsroman, Ullstein/Metropolis 1999)


STARDUST PR-Department Palm Springs , USA - 22.12.99 at 19:27:30





Kanada kommt und bringt mir Geld. Ich war mal netter Kollege, das vergisst sie nicht, sagt sie.

Die schwachsinnige Natur laesst Kanada mein ErbarmDich riechen, bevor ich auf die Knie fallen und eine Leidenschaft draus zaubern kann. Und mein Finger bricht glatt durch an ihrer Nackenhaut, und ihre Kuschelmuschel ist zugewachsen nach monatelanger Kuschelmuschelwunschverweigerung, ich hatte einfach immer an ihre Finger delegiert. Weil weisst du, ach du ach, die tausend Krankheiten meines uebersensiblen Kopfes...

Nun ErbarmDich statt IchMachDichGluecklich, und ich weiss ja, die Natur und nicht Kanada macht ihr die Kuschelmuschel zu, und trotzdem reiss ich die Tuer auf und lach ueber den armen totgeklopften Hund, an den Kanada gerade denkt, "denn wenn ich heulen wollte oder ein Tierheim aufmachen, keine Frage, das weisst du ja, was sollte ich da noch schreiben!"





robbe lipsia, - 22.12.99 at 21:02:28





Stefan brachte Bier
der Tisch hinter uns wurde frei

CRACK CAFÉ

ich redete mit Nina
die anderen wollten noch weitermachen
ich war müde, fuhr ins Hotel und legte mich schlafen

HAMBURG HAUPTBAHNHOF REGISTER

Wilfried hatte im Taxi die Idee
dass ich sofort in Ferien fahren sollte
er wäre ab neun in der Dramaturgie

EIN PRÄZISIONSSCHÜTZE

im Frühstücksraum sah ich Dieter Dorn
aufstehen, hingehen und grüßgott sagen
das wäre jetzt normal gewesen
war aber nicht
ich schaute weg, schaute hin, schaute weg
und holte mir einen Orangensaft

IC 873 MAX LIEBERMANN

weniger paradox gesagt - ach: egal
im Zug redete ich mit einer fremden Frau
sie hatte ein Kind, sie leben in Charlottenburg

ZOO VERWALTUNG

daneben ist ein Affe an die Wand gemalt
anstrengend sind die Gedanken über Sex
die durch den Houellebecq getriggert werden

KLINIKUM BUCH

gedämmert, geduscht, am Schreibtisch
Theater: die Idee kann nicht sein: "Generation"
die Idee Kunst heißt ganz simpel: "Qualität"

die Beweise seien erdrückend
so die Begründung

KRANK

Mittwoch, 22.12.1999, Hamburg, Berlin


Rainald Goetz - 22.12.99 at 23:55:51




1
Mit einem alten Freund -- siebzehn Jahre Bekanntschaft, zwei Skiferien und ein Aktenordner Briefe, prä-Internet-Telephonkosten nicht mehr zu ermitteln -- sprach er bei mäßigen Zigarillos und dem letzten Glas Prosecco über CyberSex. Großartig, waren sie sich einig. Der Irrtum nur der Glaube, die auf dem Bildschirm noch Heißblütige würde bei einer realen Begegnung das Angekündigte, detailliert Beschriebene in die Tat umsetzen.
2
An seinem Pinbrett eine Reservierungsnummer. Er hatte an dem Tag ein Auto gemietet. An den Feiertagen würde er in den umliegenden Dörfern nach einem Haus suchen. Seine neue Geliebte wollte aufs Land ziehen, sprach von Hund und Garten.
3
Ich vermute, diese Dinge haben miteinander zu tun.


Carmen Samson Berlin, - 23.12.99 at 00:17:49






Menschmaschine sagt: der Dreh, die Zahl, das Messer

den Aktien fehlte heute jede Fantasie

der eigentliche Skandal ist ja, dass ausgerechnet Gaucho, eines ihrer wenigen langweiligen Alben in die Liste geraten ist, und dass Prezel Logic, das unbedingt auf einen der ersten dreissig Plätze gehört, dabei gnadenlos unter den Tisch fiel

Abb.: Walter Becker e Donald Fagen


Andreas Neumeister - 23.12.99 at 01:16:45




WHITE TRASH COOKING
by LL Cool J

BIG DADDY CHRISTMAS 12-STEP CHEESECAKE
Makes 8 Prep Time: 10 Min Bake Time: 40 Min
MIX! 2 pkg (8oz. each) PHILADELPHIA Cream Cheese, softended
MIX! 1/2 cup sugar and 1/2 teaspoon vanilla
MIX! 2 eggs
MIX IT WELL!

MIX! 11/2 cups of CHOCOLATE SANDWICH COOKIES
(chopped & divided)
MIX IT! with electric mixer on medium speed

MEDIUM MIX!

POUR IT! into crust.
SPRINKLE IT! with chopped cookies.
BAKE IT! at 350 F for 40 minutes.
COOL IT! 3 hours.
CUT IT ! into squares.
AND MEDIUMMIX IT! with poolsters, loopsters & friends

MERRY CHRISTMAS
Yours Sincerely!


Tom Kummer Los Angeles, USA - 23.12.99 at 07:19:10




Paranoia City

Vorbereitung auf die Feiertage.

Staatsbürger der Vereinigten Staaten, die sich im Ausland, insbesondere in Europa oder dem Nahe Osten, aufhalten, sind vom Aussenministerium als potentielle Ziele eines terroristischen Akts eingestuft worden.

Das FBI warnt vor Paketen mit dem Poststempel Frankfurt. Sie könnten Briefbomben enthalten.

Für den Jahreswechsel steht die Nationalgarde in Bereitschaft. Sollte es zu ernsteren Zwischenfällen oder Anschlägen kommen, wird der Ausnahmezustand erklärt und eine Ausgangssperre verhängt.

Das New York Police Department hat für den Sylvesterabend in der Amory an der Lexington Avenue zweitausend Leichensäcke bereitgestellt. Für alle Fälle.

Es gibt Hummer aus Maine, Champagner von Aldi und Taittinger. Die Poolfirma hat zugesagt, den Gastank des Schwimmbads aufzufüllen. Das Feuerwerk findet dieses Jahr am kleinen See in South Hampton statt.

Quellen: New York Times; Reuters; vertraulicher Hinweis eines UNO-Beamten; zufällige Unterhaltung zwischen Willie Ninja und einem Polizeibeamten; Telefonate mit Fred und Anton.


Andrian Kreye, NYC, NY - 23.12.99 at 22:35:35





Klinikum Buch
Patienten, Pfleger, Geiselnehmer

was heißt denn da: simpel?
was heißt: Qualität?
was soll denn das heißen: Kunst?

simpel heißt: so einfach gehts nicht
Qualität heißt: Kritik, Kunst: Zersetzung
von Macht, auch sektoid revolutionärer Despotie

die Wahrheit ist schütter

und wer friert und sich fürchtet
vor Weihnachten heißt

KRANK

Donnerstag, 23.12.1999, Berlin


Rainald Goetz - 23.12.99 at 23:52:31




Showroom Dummy sagt:Nichts deprimiert mehr, als routinemäßig - und sei es nur einmal im Jahr - zu verrichtende Tätigkeiten, sie sind eine Zumutung, routinemäßig - und sei es noch so selten - wiederkehrende Tätigkeiten vermitteln das Gefühl, man würde sein Leben lang nichts anderes tun, als eben diese regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten zu verrichtenkauft man am Jahresende einen Taschenkalender für das bevorstehende Jahr, überfällt einen sofort das superdeprimierende Gefühl, doch eben erst den letzten Taschenkalender für ein eben erst noch bevorstehendes, nun aber schon wieder abgeschlossenes Jahr gekauft zu haben, das Superdeprimierende an diesem Gefühl ist, dass einem für einen Augenblick absolut nichts einfällt, was in der Zeit seit dem letzten Kalenderkauf sonst noch passiert ist, dass man seit dem Kauf des letzten Taschenkalenders nichts, aber auch gar nichts anderes erledigt bekam, dass man sein Leben lang nichts anderes tut, als Taschenkalender für kurzbevorstehende und im selben Augenblick auch schon wieder abgeschlossene Jahre zu kaufen dieses Jahresendgefühl, man wäre erst vor wenigen Stunden in der selben Stadt, im selben Stadtteil, in der selben Straße in exakt dem gleichen cremefarbenen Schreibwarenladen gewesen, um nichts als einen cremefarbenen Taschenkalender für 12 Mark 50 zu kaufen, stellt sich mit einer Zuverlässigkeit ein, die erstaunlich ist, natürlich trügt so ein Gefühl, genauso, wie auch andere Gefühle trügen, natürlich ist nicht wirklich nichts passiert zwischen den beiden ein Jahr auseinanderliegenden Routine-Einkäufen(wenn sich bei diesen regelmäßig zu verrichtenden Tätigkeiten wenigstens eine gewissen Routine, im Sinn einer lässig-gleichgültigen Abwicklung einstellen würde) dieses Jahresendgefühl kommt nicht ganz von ungefähr, passt man nicht wahnsinnig auf, dann setzt sich ein Jahr leichter als man glaubt aus lauter solchen nichtssagenden, winzigen, sich regelmäßig wiederholenden cremefarbenen Verrichtungen zusammen, die das ganze Jahr zu nichts anderem als einem einzigen formlos cremefarbenen Verrichtungsmonster werden lassenShowroom Dummy sagt: Na dankeAbb.: Showroom, Via Condotti 3


Andreas Neumeister <mjunik@aol.com> Mjunik, - 24.12.99 at 01:38:26




1
Während er den Baum schmückte, stellte er sich vor, was sie an diesem Abend tun würde.
2
Es könnte sein, daß sie aufräumte. Am Telephon hatte sie erzählt, sie hätte Bücher aus der Bibliothek in das Wohnzimmer getragen. Drei kleine Regale seien nun gefüllt. Es war anzunehmen, daß jetzt ihre Bibliothek dran wäre. Sie würde vertraute und doch fast vergessene Bücher in die Hand nehmen, sich an den Grund des Kaufs erinnern. Postkarten von Schenkenden darin entdecken, mit deren Namen sie nichts mehr verband. Oder Fahrkarten in Städte, in denen die Geliebten, die sie damals besucht hatte, schon lange nicht mehr wohnten. Die eine oder andere Karte würde sie, davon war er überzeugt, fortwerfen.
3
Später dachte er daran, was sie bei seinem letzten Besuch getan hatte. Mit ihm.


Carmen Samson Berlin, - 24.12.99 at 01:48:05




Feist wie ein geölter Buddha.
So glänzte der.
Tief hinten in seiner Hütte,
an einer Wäscheleine,
hingen getrocknete Schäfchen.

Er schwenkte den Gedanken langsam von einem Ohr zum andern. Aus seinem Haar purzelten Raben - untrügliches Symptom einer Aufgeregtheit, die ihm nach so langer Verwesung nicht mehr zuzutrauen war.

Er ist einer, der seine Tränen wieder hochziehen kann wie andere Leute ihren Rotz. Er verwendet dieselben immer wieder. Hat wohl nur die zwei.


HelK M, D - 24.12.99 at 15:42:40





Hass
Ozeane
Finsternis

ich liege im Bett
will weg sein
draußen wird es dunkel

Angst

24.12.99


rgb - 24.12.99 at 17:37:16




1.) Elke Naters
2.) Sven Lager
3.) Maike Wetzel
4.) Britta
5.) Ole Groenwoldt
6.) Nicholas Paul
7.) Wolfgang "WoWi" Wilke
8.) Kurt-Georg Dieckert
9.) Andrian Kreye
10.) Ulrika Akerlind
11.) Anke Engelke
12.) Gabi Herpell
13.) Paul Sahner
14.) Walter Mayer
15.) Olrik Kleiner
16.) Jochen Siemens
17.) Adriano Sack
18.) Stefan Gessulat
19.) Clark Parkin
20.) Katja Flint
21.) Catherine Fleming
22.) Nele Mueller-Stoeven
23.) Anna Boettcher
25.) Johannes Albers
26.) Claudia Chylla
27.) Gerhart Boettcher
28.) Ayzit Bostan
29.) Jessica Joffe
30.) Jessica Neerpasch
31.) Andi Bohl
32.) Mavie Hoerbiger
33.) Jessica Nitschke
34.) Werner Loecher-Lawrence
35.) Jasmine Khezri
36.) Uriz von Oertzen
37.) Jaqueline Ziessmer
38.) Ute Dammeyer
39.) Lars Jensen
40.) Walter Schoenauer
41.) Alexander Wiederin
42.) Sabina Schreeder
43.) Markus Peichl
44.) Livia Hegner
45.) Lorenz Schroeter
46.) Carl von Siemens
47.) Andreas Kayales
48.) Sibylle Werner
49.) Caroline Kousidonis
50.) Cornelius Dornier
51.) Romuald Karmakar
52.) Sharonna Barel
53.) Carsten Regel
54.) Shio Kitajima
55.) Laszlo Kadar
56.) Akihiko Onishi
57.) Alda Balestra
58.) Eckhart Nickel
59.) Johanna Adorjan
60.) Marc Fischer
61.) Anne Miralda Meyer-Minnemann
62.) Michel Obladen
63.) Jan Rexhausen
64.) Wulf-Peter Kemper
65.) Felix Spangenberg
66.) Felix Velasco
67.) Nicki Reidenbach
68.) Timo Blunck
69.) Juergen Nerger
70.) Ralf Hertwig
71.) Inga Humpe
72.) Stefanie Hellge
73.) Christopher Roth
74.) Susan Atwell
75.) Wais Kiani
76.) Robbe Lipsia
77.) Hippi
78.) L. Barnes
79.) Norbert Niemann
80.) Sabine Magerl
81.) Rainer Schmidt
82.) Anne Phillipi
83.) Stephan Fruth
84.) Thomas Grimmer
85.) Florian Amereller
86.) Nika Scheidemandel
87.) Claudia Besler
88.) Mareile Kohls
89.) Andreas Moeller
90.) Dominique Kracht
91.) Anne Nickel
92.) Benjamin von Stuckrad-Barre
93.) Til Obladen
94.) Catherine Kuhn
95.) Petra
96.) Markus Kiersztan
97.) Westfalia Bambaata
98.) Axel Pflugbeil
99.) Uwe Kopf
100.) Betty Pelzer


Christian Kracht Ko Pi Pi, Thailand - 24.12.99 at 18:19:49




Dedicated to: Nicholas Paul

-Come together
-Paint it Black
-Knockin' on Heaven's Door
-All I need is the Air that I breathe
-Riders on the Storm
-Highway to Hell
-Hey, Joe
-Every Breath you take
-My Sweet Lord
-Don't you forget about me
-Owner of a lonely Heart
-Hotel California
-Sweet Home Alabama
-Chicago Mama
-Frosty, the Snowman.


Casati, Munz Ko Pi Pi, Thailand - 24.12.99 at 18:36:02





The message may read:

HAVE FUN WITH JESUS


Casati, Kracht, Munz Phi Phi , Thailand - 25.12.99 at 06:54:09




Allen Feinden sei vergeben,
außer denen, die noch leben.


HelK m, d - 25.12.99 at 12:07:47





19.59.51
19.59.52
19.59.53
19.59.54
19.59.55
19.59.56
19.59.57
19.59.58
19.59.59

20.00.00

krank

25.12.1999


rgb - 25.12.99 at 20:37:12




Zeitloch
Zeitmaschine
Zeitreise
Zeitsprung
Zeittunnel

Am 9. September, dem Jahrestag der Gründung Nordkoreas wurde die christliche Zeitrechnung durch die Juche-Ära ersetzt. Seit dem 9. September 1997 schreibt der kommunistische Norden der koreanischen Halbinsel das Jahr 86. Obwohl die als Juche bezeichnete Staatsideologie der totalen Autarkie und Selbstversorgung noch nicht so alt ist wie die kommunistische Volksrepublik selbst, wurde sie nun auf das Jahr 1912, das Geburtsjahr Kim Il-sungs, zurückdatiert. 1912 ist fortan Juche 1, heißt es in der entsprechenden Verordnung

Juche 89: es kommt darauf an, was man daraus macht
Juche 90: es kommt darauf an, was man daraus macht
Juche 91: es kommt darauf an, was man daraus macht

Abb.: Kim Il-sung


Andreas Neumeister, 5. Advent - 26.12.99 at 01:33:29




1
Jaaa. Allgemein um sich schlagende Weihnachtsdepression. Gehört sich ja auch so, unter Intellektuellen.
2
Sechs Mal "O du fröhliche" gesungen. Im Berliner Dom. Getragen von ungefähr neuntausendfacher Weihnachtsfreude.
Liebevolle Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, wenn man nachts um eins zurückkommt. Die Familie ist ja doch nicht so... und der Geliebte, der neue, alles andere als... Wer erst um vier ins Bett findet, ist glücklich. Finde ich.
3
Klar. Der Verdacht liegt nahe, daß eine Überdosis der Happy-Pills vorliegt. Kann einem ja mal passieren, so morgens in der Früh.
4
Meine Musik-Empfehlung: Joana Zimmer, Pieces of Dreams. Für Rebecca Casati und David drüben im Loop. Insbesondere: Close to you. "On the day that you were born, the angels got together and decided to create a dream come true."
5

Und das, lieber Pfarrer Raddatz, ist tatsächlich mal ein autobiographischer Text. Diesmal. Für Sie.
7
Fröhliche Weihnachten. Hodie Christus natus est.


Carmen Samson Berlin, - 26.12.99 at 03:25:18




Du waerst erst am 24. nach Hause gefahren. Ich wahrscheinlich schon zwei Tage frueher. Meine Weihnachten waren gegen deine gar nichts. Viel zu essen, ein wenig Weihnachtsmusik aus einem Kasettenrekorder und dann Streit, weil meine Mutter und ich gerne auf Weihnachtsmusik verzichtet haetten. Mein Stiefvater tobte dann ein wenig, wobei seine Spezialtaet war immerwieder eine einzige Frage unendlich zu wiederholen. Was willst du eigentlich, was? Das letzte WAS mal sehr drohend, dann wieder als Anfang der naechsten Wiederholung. Schlaege auch, manchmal.
Du warst auf jeden Fall erschoepfter, wenn wir uns danach wieder trafen. Das Zangenritual katholischer Eltern. Die Schrift, die ihre Worte bei Kafka in die Haut des Opfers ritzt. Die Schrift der Anderen.
Vielleicht schreibe ich deshalb, manchmal mehr als ich denken kann, damit ich in meiner Schrift bin. So viel fremde Schrift, die einen beherrscht, die es heisst zu ueberlagern.
Wir nahmen weisse Papiere und schrieben. Das ist es wenn ich deine Zeichnungen heute sehe, sie sind geschrieben, die Linien, Schraffuren. Sie sind deinen Schreibheften voller Ideen nicht unaehnlich. Deine Schrift erinnert mich immer sofort an deine Zeichnungen, und wie um das Raetsel zu loesen, fuellte ich die Blaetter mit meiner unleserlichen Schrift, immer unentschlossen zwischen Zeichnung und Worten.
Entschieden hat es die Schrift dann selbst, obwohl mit Worten geschrieben wurde sie schon nach einigen Wochen Zeichnung. Keiner, nicht einmal ich, konnte noch ein Wort daraus lesen. Es ist die Vollendung der eigenen Schrift und Welt, unlesbar zu sein fuer jeden anderen.
Darum beneide ich dich noch heute, denn was ich jetzt schreibe ist fuer jeden lesbar, deine Bilder sind es nicht.


Sven Lager 25.12.99 - Baan Koh Lanta, - 26.12.99 at 11:31:37




Eva traegt Badelatschen mit gruener Camouflagesohle und oben breiten gekreutzten ROSA Gummiriemen. Dazu einen fliederfarbenen Rock. Sie steht in der Daemmerung und das Rosa und Flieder leuchten im Wettstreit um das letzte Licht.

Diese Schlappen sind die in Thailand einfachste Form der Schlappe. Keine Flip Flops, also nicht mit dem Steg zwischen dem Grosszeh zu tragen sondern wie bereits beschrieben mit zwei breiten, in der Mitte gekreuzten und dabei eine Flechtung vortaeuschenden Baendern - wie der Rest des Schuhes aus Gummi- die die Zehen freilassen und ueber den Mittelfuss laufen.

Ich hatte damals die ersten Camouflageschlappen in einem Laden auf Ko Samui entdeckt. Allerdings ganz in gruen. Nicht viel spaeter vergass ich meine Schuhe nachts am Strand - betrunken von Singha Bier und Sangthip mit Cola- liess ich sie dort liegen, wo sie am naechsten Morgen die Flut wegspuelte.

Ich habe nie wieder irgendwo Camouflageschlappen entdeckt.
Ich beneide Eva um ihre, noch dazu, weil sie oben ROSA sind.
Traegt man diese Schuhe, ist das Camouflagemuster erstmal kaum sichtbar, da der Fuss darauf steht. Erst beim Laufen, fuer den kurzen Moment, wenn sich die Ferse von der Sohle hebt, blitzt das dunkelgruene Muster hervor.
Das, was der Schuh vorgibt zu sein, mit einem leuchtend rosa Riemen, naemlich eine liebliche rosa Maedchenschlappe, wird mit jedem Schritt gebrochen.
Ganz offenbart er sich allerdings erst, wenn man ihn ausgezogen hat.
(Dream Team am 23.12.)


Elke Naters Thailand - GLAM, - 26.12.99 at 11:40:11







Lieber S.
Betrachten wir unsere Freunde. Faellt mir ein, lese ich noch einmal ueber die Unlesbarkeit in meinem letzten Brief an dich, die wir uns wuenschten und die gleichzeitig laecherlich ist. Also, wo sind unsere Freunde? Sie sind nicht mehr da. Verschwunden, weil wir diese Welt nicht mehr teilen, die Zeit, das Weiter.
Ich wuenschte, wie immer, du waerst hier. Neue Freunde sind da und wir feiern Weihnachten mit ihnen unter den Baeumen, deren Namen ich nicht weiss. Wir schenken uns Arm- und Fussbaender, Buecher, CDs und gebluemte Hosen, dann trinken wir Bier und rauchen jeder eine Schachtel Marlboro lights. Das klingt so seltsam wie es ist, denn ich vermisse unsere alten Freunde, die nicht mehr unsere Freunde sind. Ich vermisse sie, weil mich die neuen Freunde stets an die alten Freundschaften erinnern, die nicht mehr sind.
Sie koennen nichts dafuer, dass ich darueber manchmal ungluecklich bin, vielleicht nur anhand eines einzigen Satzes, den ich sage, den sie nicht verstehen, der untergeht, begraben wird mit dir, mit den anderen. Und letztendlich mit mir. Ein unverstaendlicher Satz unserer vergangenen Sprache.
Langsam verstehe ich, warum ich schreibe.
Traurig, nein, wozu? Ich habe ihnen nur gesagt ich vermisse sie schon bevor sie abgefahren sind heute morgen. Denn so sehr ich sie mir manchmal wegwuensche, wuensche ich sie mir wieder her. Und? - Findest du das nicht auch eine angenehme Eigenschaft von neuer Freundschaft?


Sven Lager sunny side up, - 26.12.99 at 11:48:10




Lieber Sven,
Eure neuen Freunde sind wahrscheinlich gar nicht verschwunden. Sie tauchen doch irgendwann wieder auf, mitunter als die alten. So ist das doch. Leider kann ich hier gerade keine Analogie zu Elkes Badelatschen finden.
Wie dem auch sei: dasselbe gilt auch andersherum, nur andersherum. Und glücklicherweise nicht für Lydia und Jörg.

Und das, Sven, das konntest jetzt nur Du kapieren. Alle anderen langweilen sich gerade zu Tode.

Sieh es als Ausgleich für Deinen Satz, der unverstanden unterging.


rebecca casati bangkog , thailand - 26.12.99 at 17:43:19




Vorm Glascontainer, in dem es Einwurfschlitze für grüne, weiße und braune Flaschen gibt, steht, ratlos und einsam auf dem Gehsteig, eine blaue
Prosecco-Flasche.


HelK M, D - 26.12.99 at 21:29:07




1
In seiner Büroschublade lagen Briefe, die noch der Außenstehendste begreifen würde.
2
Die Vorstellung, mit einem eigenen, noch nicht adressierten Brief in der Brusttasche im Krankenhaus eingeliefert zu werden. Man würde die Korrespondenz entdecken. Stürbe er, flüsterten Gerüchte umher. Er solle da ein Verhältnis gehabt haben. Mit wem, wisse man nicht. Das Schreiben sei ohne Anrede gewesen. Die Witwe würde den Inhalt der Schublade erhalten. Und über ihr Wissen schweigen.
3
Daß seine Geliebte diesen Brief nie würde lesen können und doch von seiner Existenz wüßte.
4
Er beschloß, auf sich acht zu geben.


Carmen Samson Berlin, - 26.12.99 at 23:42:56





8.44 Berlin
10.54 Göttingen
12.31 Würzburg

die Strecke ist weiterhin gesperrt
es liegt ein Baum im Gleisbereich

wir ändern unsere
Fahrtrichtung noch einmal
und werden in wenigen Minuten
unsere Fahrt fortsetzen

auf unserer Umleitungsstrecke
liegt jetzt ebenfalls ein Baum am Gleis

wir haben wieder Strom
der Baum ist zur Seite geräumt
und wir werden in wenigen Minuten
unsere Fahrt wieder fortsetzen

15.45 Roßtal
15.52 Nürnberg-Stein

ein kleiner Wermutstropfen
wir werden noch einmal zurück
nach Nürnberg fahren
ab Nürnberg sehen wir dann weiter

16.21 Nürnberg Hauptbahnhof
17.36 Parsberg
17.51 Beratzhausen
18.32 Regensburg
18.58 Neufahrn
19.16 Landshut
19.41 Freising
20.14 München

Orkan vor der Jahrhundertwende

KRANK

Sonntag, 26.12.1999, München


Rainald Goetz, München, - 27.12.99 at 00:39:01




Y2K Prayer Shield

Heritage Farms:
Refuge of apocalypse

The Angelic Conspiracy

Y2Ksurvive.com:
Ressorces for Y2K-Survival

The year 1000:
a legendary terror

Abb.: Porta santa


Andreas Neumeister - 27.12.99 at 04:21:56





Ich hab mich nicht verändert. Nur meine Kotzerei hat zugenommen. Nicht viel, nur meine Kotzerei hat zugenommen. Und dieses Bedürfnis.
Ich könnte ein großes Gehemmnis draus machen, aber ich will nicht. Ich will auf euch kotzen, vielleicht interessiert es euch gar nicht.
Wenigstens wißt ihr jetzt. Auch gut, denk ich mir, und ihr versteht mich trotz eurer Langweiligkeit?


robbe lipsia, - 27.12.99 at 16:15:08




Ist egal. Auch gut. Küßchen.


robbe lipsia, - 27.12.99 at 21:43:50




für immer gelähmtfür immer gesampeltals Andrew auf dieser Siebenbürgischen Hochzeit diese Kassette mit Give me Your Love spielte, wäre ich fast gestorben, ich meine, Give me Your Love klang in Transsylvanien eigentlich auch nicht anders als irgendwo sonst, es war eher diese Vorstellung, ausgerechnet in diesem siebenbürgischen Bauerndorf ausgerechnet das hymnische Give me Your Love zu hören, die mich tatsächlich umwarf, ich meinesprachen davon, welches seiner Alben das beste sei, stundenlang stritten wir darüber welches seiner Alben das definitiv beste sei und kamen zu keinem endgültigen Ergebnis (boys talk III)Abb.: Curtis MayfieldGive us your love!


Andreas Neumeister, - 28.12.99 at 00:03:13




für immer gelähmt
für immer gesampelt

als Andrew auf dieser Siebenbürgischen Hochzeit diese Kassette mit Give me Your Love spielte, wäre ich fast gestorben, ich meine, Give me Your Love klang in Transsylvanien eigentlich auch nicht anders als irgendwo sonst, es war eher diese Vorstellung, ausgerechnet in diesem siebenbürgischen Bauerndorf ausgerechnet das hymnische Give me Your Love zu hören, die mich tatsächlich umwarf, ich meine

sprachen davon, welches seiner Alben das beste sei, stundenlang stritten wir darüber welches seiner Alben das definitiv beste sei und kamen zu keinem endgültigen Ergebnis (boys talk III)

Abb.: Curtis Mayfield

Give us your love!


Andreas Neumeister, - 28.12.99 at 00:07:02





im Reich der vielen tickenden Uhren
gurgelt die Heizung
Ars nova
das Papsttum
Flug in die Welt von morgen

nahe, verwischt
die Ahnen, die Bücher
Blumen werden angeliefert vor dem Haus
die seltsamen Augenblicke
einatmen, aus

KRANK

Montag, 27.12.1999, München


Rainald Goetz - 28.12.99 at 02:49:30




Hi friends,

BEWARE! 2000!

NO BUBBLE BATHS
NO LEOPARD PRINT UNDERWEAR
NO GIRLY HAIR SPRAY

GET DELIBERATELY DRESSED UP FOR GOD!


Tom Kummer Los Angeles, USA - 28.12.99 at 08:27:48




Ich war zu Besuch im Reinbeker Verlagshaus, die ganze Mannschaft trat an, weil ich den Wunsch geäußert hatte, die Mitarbeiter kennenzulernen.
Der Chef stellte mich einem jungen Spund vor.
"Sie sind also", fragte ich, "der Letztkorrektor von Schweine und Elefanten gewesen?"
Er bejahte, sichtlich stolz ob dieser verantwortungsvollen Aufgabe.
Ich zeigte ihm eine Manuskriptseite, die Stelle mit dem wurstsemmelfressenden Mann. "DAS WIRKTE WIE VON DEIX GEMALT." Er lächelte. Ich zeigte ihm dieselbe Stelle im Buch.
"DAS WIRKTE WIE VON DIX GEMALT." Er lächelte noch immer. Den Deix, den habe er halt nicht gekannt. Aber Dix - den kannte er.
"Verstehen Sie", fragte ich, "wenn ich ein bißchen sauer reagiere?"
Klar, sagte er, und wurde kleinlaut. "Ich werds auch nicht wieder tun."
"Da haben Sie allerdings recht." Ich zog meine Knarre und pustete ihm die Birne weg. Das Blut spritzte meterweit durch den Konferenzsaal.
"Nun würde ich gern noch den Mitarbeiter kennenlernen, der in der Taschenbuchausgabe von MAI-JUNI aus Octave Mirbeau MIRABEAU gemacht hat."
Niemand meldete sich. Schweigen herrschte im Rund. Der Chef nahm mir die Pistole ab, murmelte was von Problemen mit der Gewerkschaft.


HelK M, D - 28.12.99 at 11:28:18





Wien
Teneriffa
Basel
Zürich
Brüssel
Alicante
Berlin
Düsseldorf
Nizza
Warschau
Hamburg
Madrid
Helsinki
Nizza
Paris
Amsterdam
Rom

diese Städtenamen stehen auf der Anzeigentafel
der Abflughalle D in München Riem
draußen fällt Schnee
es ist halb neun Uhr morgens

im Moment sind alle noch hier
nachher ist jeder zweite woanders

Reisen macht glücklich

KRANK

Dienstag, 28.12.1999, München


Rainald Goetz, Berlin, - 29.12.99 at 00:37:12








Unzulänglichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts

Warnung: wer seinen Text am Pool erst dann Korrektur liest, wenn er schon in das Absendefeld gestellt ist (selbst schuld) und ihn vor dem Absenden nochmal löscht (zu löschen versucht), der sieht sich beim nächsten Startversuch in einen anderen Modus versetzt, wird nochmal angegangen: ohne Name geht nichts, bekommt zur Strafe von höheren Mächten seinen korrigierten Text grässlich zusammengestaucht in den Fliesstext gestellt und auch noch mit der eigenen Netzadresse versehen - obwohl weder senden noch aktualisieren angeklickt waren

ist mir in diesem Jahrhundert schon zweimal passiert: sieht gar nicht nett aus

Abb.: Il luogo dove è morto il killer

Unzulänglichkeiten des zwanzigsten JahrhundertsWarnung: wer seinen Text am Pool erst dann Korrektur liest, wenn er schon in das Absendefeld gestellt ist (selbst schuld) und ihn vor dem Absenden nochmal löscht (zu löschen versucht), der sieht sich beim nächsten Startversuch in einen anderen Modus versetzt, wird nochmal angegangen: ohne Name geht nichts, bekommt zur Strafe von höheren Mächten seinen korrigierten Text grässlich zusammengestaucht in den Fliesstext gestellt und auch noch mit der eigenen Netzadresse versehen - obwohl weder senden noch aktualisieren angeklickt warenist mir in diesem Jahrhundert schon zweimal passiert: sieht gar nicht nett ausAbb.: Il luogo dove è morto il killer


Andreas Neumeister - 29.12.99 at 00:55:45




Lieber S.
R. hat mir erklaert, dass man tatsaechlich jede Nacht 15 Traeume traeumt. Wo sie die 15 her hat weiss ich nicht. Nun sind ja Traeume etwas sehr unnuetzes und viele haben mir mit ihrem Unsinn in letzter Zeit den Schlaf geraubt. Vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen der Schlichtheit der Tage und dem Ueberschaeumen der Nacht. Tage, die aus Sand und Meer und Sonne bestehen, Staub, knatternden Motorraedern und Europaeern, die alle die gleichen Rucksaecke und Sonnenbrillen zu tragen scheinen.
Diese Gleichfoermigkeit loest nach und nach die Schichten der Ideen und des schon gedachten, darum sind wir ja hier. Und wirklich, nach mir unerklaerlichen Lagen schwuelstigster und unsinnigster Phantasien, die immer von Staedten, Tod, Schiffen, nie gesehenen Menschen und von ermuedenden Wiederholungen dieses Themas handelten, traeumte ich tatsaechlich von dem Maedchen, um das sich meine neue Geschichte dreht. Ich traeumte einen ganzen Schwall ihrer Gedanken, nicht Wort fuer Wort, aber der Idee nach. Und diese Idee war nun einmal eine alte, schon vergessene, vom Neuen ueberholte.
Auf diese alten Ideen zurueckzukommen ist sehr wichtig, auf die entscheidenden Ideen, denn das meiste Neue, das einen ueberstroemt ist unwichtig und nicht selten ertappe ich mich dabei wie ich ihm dennoch nachrenne. Verborgen unter einem Stapel schreiender Neuigkeiten lag der Schluessel.

A. hat ganz Recht. Manchmal verbringt man ein ganze Jahr damit nur cremefarbene Dinge zu tun.


Sven Lager Krabi Pier, - 29.12.99 at 07:22:25




WARTEN!
PLEASE HOLD FOR THE NEXT AVAILABLE ASSOCIATE!

Heute ist mal wieder so ein Tag: Der Himmel ist blass, als läge hinter den Hollywood Hills ein toter Ozean versteckt.
WARTEN! AUF DAS ENDE!
Nina trägt dunkelblaues Baumwollhemd by Patagonia, weisse Golferhose by WILSON, Badeschlappen by QUICKSILVER, sehr süss.
Ich denke an WOW! PLASTICS! und warte.
WARTEN! AUF DAS ENDE!
Wir hören koreanische Kaufhausmusik. Sie ist überall!
Eine Stimme spricht:
THANK YOU FOR CONTINUING TO HOLD!
YOUR CALL IS VERY IMPORTANT TO US! (You want fries with that?)

Die Luft ist dunstig, eukalyptussüss. Los Angeles liegt draussen in graubrauner Dunkelheit. Als wäre die Stadtwüste leer und meilenweit kein Leben. Als trage Südkalifornien im Smog das Netz der Einsamkeit aller Menschen. So eine Zeit ist das jetzt.

THANKS FOR CONTINUING TO HOLD!


tom kummer los angeles, usa - 29.12.99 at 19:42:26




der Liter Normal für 94 Pfennige
der Liter Normal für 95 Pfennige
der Liter Normal für 96 Pfennige
der Liter Normal für 97 Pfennige
der Liter Normal für 98 Pfennige
der Liter Normal für 99 Pfennige

überlebende Zeitzeugen berichten, es sei allgemein als kaum vorstellbarer Durchbruch einer nummarischen Schallmauer empfunden worden, als der Liter Normalbenzin endlich eine volle Mark kostete

ich wollte nackt tanzen, aber es lagen zu viele Scherben am Boden

Abb.: Un distributore di benzina


Andreas Neumeister - 30.12.99 at 00:00:51





ich liege in der Badewanne
in der neuen Wohnung
die seit zwei Monaten
sinnlos leer steht

als erste Einrichtungsgegenstände
habe ich zwei dunkelblaue Handtücher
und einen Kamm namens BEAUTY gekauft
in den eine goldene Schrift eingeprägt ist:
Handarbeit, "handgesägt", 3 Mark 95

dann wird mir heiß
ich lasse Cords Erzählungen
über die Felsenpinguine zu Boden sinken
wie der ermordete Marat von David
und träume vor mich hin

Rußkopf, Ölschlamm, Jamtalhütte
Gerichtsbote, Benennungslücke, Aktentasche
Feuerwerkskörper, Anklagebank

über die Elementarteilchen
und das Jahrzehnt der schönen Frauen
und dass ich morgen um zehn hier sein muss
wenn der sogenannte Herr Rauch kommt
von der Reinigungsfirma Clean Garant

leben: geht doch
wenn man tot wäre
wäre es vielleicht schöner
aber wahrscheinlich weniger wahrnehmbar

KRANK

Mittwoch, 29.12.1999, Berlin


Rainald Goetz - 30.12.99 at 01:07:10




Hey Elke und Sven
salut, Eva
und durchaus Christian:

Happy New Year
Remember Happiness
is an option.


Rebecca Casati München, Deutschland - 30.12.99 at 15:58:12




1
Das hatte ich vergessen. Den Wohlgeruch einer Putensuppe. Kein Gemüse. Nur die Karkasse mit klarem Wasser.
Er geht einher mit Glück, leicht an eine kleine Melancholie geschmiegt.
2
Meine Mutter und meine Großmutter gehen leise durch das Haus. Räumen die Gläser fort. Trocknen Besteck, vor zwei Tagen für das Fest poliert. Sortieren es in die mit Filz ausgeschlagene Kiste. Es klirrt leise, wenn sich die Gabeln zwischen den Halterungen zu Stapeln ordnen. Die beiden sprechen in meiner Erinnerung wenig miteinander.
3
Das ist verwunderlich. Grandma stammte aus Ungarn und redete schnell und viel. Lange dachte ich, das eine hinge mit dem anderen zusammen. Jedenfalls kann ich mir heute noch keinen schweigsamen Ungarn vorstellen.
4
Aber beim Aufräumen nach dem Fest sind die Frauen sanft. Aus dem Nebenzimmer höre ich, wie sie einander halblaut versichern, der Turkey sei wirklich sehr saftig gewesen. Basil sehe doch gut aus, trotz allem, nach der Operation. Pete hätte übrigens abgesagt, ohne Begründung wie immer.
Neben mir, fast von den untersten Zweigen des Baumes verdeckt, liegt meine Schwester und bemalt Vorlagen für Plastikteller. Für jeden von uns gab es drei Blätter.
5
Meine Mutter füllt ein Glas mit Wasser. "Vermont water - nothing like it in the world", sagt sie. Das eiskalte Wasser trinkt sie immer in einem Zug aus, wenn wir Grandma und Grandpa besuchen. Danach ächzt sie zufrieden. Ich glaube, es macht sie glücklich, hier zu sein.
6
Trampeln im Windfang, in dem in Silberfolie eingepackt ein halb aufgegessener Mincemeat-Pie, die zweite Schüssel Pumpkin, Reste vom Turkey und Squash stehen. Grandpa, mein Vater und mein Bruder kommen mit Holz für den Ofen. Der Schnee von ihren Stiefeln bleibt in der Porch liegen.
7
Gegenwärtiges Glück vermag es, das unter Erinnerungen verschüttete zu retten. Ein Geschenk.


Carmen Samson Berlin, - 30.12.99 at 17:11:42




Im SPIEGEL las ich von der Brennstoffzelle auf Wasserstoffbasis, die die Energieversorgung Islands binnen 30 Jahren unabhängig von Öl und Benzin machen soll. In zwei Jahren speist das neue System dort schon die Nahverkehrsbusse.
Das geht alles so schnell. Vor vier Jahren hätte ich das zwar geglaubt, aber nicht zu prognostizieren gewagt. Es herrscht auguriale Inflation. Ich überlege mir, was ich noch schnell voraussagen könnte, bevor es zu glaubhaft wird.

Rom. Daheim. Auguri, auguri.


HelK roma, i - 30.12.99 at 20:53:25





neue Zahlen zur Spendenaffäre

10 bis 12 Stunden
dauert die tägliche Schicht
8 bis 6 Silben das alte noch laufende Jahr
2½ das Wort zweitausend

Schnöselmanifest

paxi Staubtuch extragroß
gut gewebte Qualität
staubbindend
1, 99

keine Bilder

die den Generälen
zum Ruhm gereichen
aber sollen sie deshalb
vor der Welt verborgen bleiben?

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

bitte mit der U-Bahn kommen
und Silvesterböller zu Hause lassen
Höhepunkt wird ein spektakuläres Feuerwerk
im Hofgarten sein

geschmacksmusterrechtlich geschützt

KRANK

Donnerstag, 30.12.1999, Berlin


Rainald Goetz - 31.12.99 at 01:31:04




JUST WAIT UNTIL YOU GET TO THE END OF THIS STORY

Warten auf das Ende.
Im Hof zum Pool steht ein junger Latino mit Strohhut, verkauft Maiskolben, läutet in kurzen Abständen eine Glocke und schaut in den Himmel, als warte er auf den Augenblick, wenn das Ende dorthin gelangt, wo er steht.

PLEASE HOLD FOR THE NEXT AVAILABLE OPERATOR! WE VALUE YOUR CALL!

THE POOR WAIT MORE THAN THE RICH
So what? They cannot pay with money, so they pay with time - little chunks of their lives

JUST HOLD!
Die Zeit ändert die Dinge, dachte ich mal. Stimmt nicht.
Die Wahrheit wird dabei nicht wahrhaftiger. HAPPINESS zu ertragen, ist nicht das Leichteste. Die Dinge ändern sich nicht.


DAS JAHR 2000 FINDET VIELLEICHT DOCH NICHT STATT.
Eine nette Vorstellung - "dass von einem bestimmten Zeitpunkt ab die Geschichte nicht mehr wirklich war. Ohne es zu merken, hätte die Menschheit insgesamt die Wirklichkeit verlassen; alles, was seitdem geschehen sei, wäre gar nicht wahr; wir könnten es aber nicht merken." (Elias Canetti)

THANKS FOR CONTINUING TO HOLD. IT S NOTHING PERSONAL, JUST A REMINDER OF WHO'S THE BOSS
Joseph Stalin liess Mao im Russischen Winter 1949 siebenzehn Tage in einer Datscha warten. (Mao had just taken over China, but Stalin was THE BOSS)

THANKS FOR CONTINUING TO HOLD!
Wir warten, studieren Neujahrskarten: Thanx, Andrian! Denke dabei an einen kühlenden Salat, den wir letzten Sommer in der Berliner Küche von Elke und Sven gegessen haben.

HAPPINESS, PLEASE HOLD!
Americans spend five years of their lives waiting in lines.
Bravo!
The poor wait for buses and subways.
Bravo!
Burt Reynolds schrie mich mal an: "My time is worth more than your time!"
Bravo!

WE DO HAVE A UNUSUALLY HIGH CALL VOLUME AT THIS TIME
BUT WE VALUE YOUR CALL (then answer it, asshole)
Irgendwo im San Fernando Valley brennt schon seit Tagen ein Buschfeuer. Die Leute nehmen es längst nicht mehr wahr, und der verdammte Rauch wird einfach Teil von Südkalifornien.

IF YOU ARE MALE: PRESS TWO
IF YOU ARE FEMALE: PRESS ONE

ALL OTHERS: ENJOY 2000!


Tom Kummer Los Angeles, USA - 31.12.99 at 03:56:42




Stundenchronik
Minutenchronik
Sekundenchronik

als ob das rasende Fortschreiten der Zeit

ich meine

Nacht auf Freitag ist auch schon wieder vorbei

hier in diesem Zimmer gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit anzeigen würden
hier in dieser Wohnung gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit zeigen würden

Abb.: Raphaele Di Mario

(to be continued)


Andreas Neumeister - 31.12.99 at 11:01:51




Kiribati is over
Wellington is over
Jelzin is over

BATTERIEN KAUFEN
POST EINWERFEN

er trete nicht nur wegen seiner gesundheitlichen Probleme ab, sondern wegen der Gesamtheit aller Probleme

hier in diesem Haus gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit anzeigen würden

Abb.: Casa Grande


Andreas Neumeister - 31.12.99 at 11:36:04





neid

Cord sagt: Neid ist einer der niedrigsten menschlichen Charakterzuege. Ich gebe ihm recht.
Ich gebe ihm nicht recht.
Mein Neid ist eine freundliche und positive Regung. Nicht: jemandem etwas nicht goennen wollen, sondern: ein sich aufgeben und der Wunsch das eigene Leben mit dem anderer Menschen zu vermischen.
Um ein Gefuehl wie Neid aufkommen zu lassen, muss man den Menschen fuer das, um das man ihn beneidet, respektieren und schaetzen.
Er wird dadurch, dass man ihn um etwas beneidet, ein Teil des eigenen Lebens.
Neid in diesem Sinne ist ein liebevolles und freundschaftliches Gefuehl. Vorrausgesetzt, dass keine Missgunst im Spiel ist.
Mein Neid ist unmittelbar mit der Person verbunden. Mit einer gleichzeitigen Bewunderung fuer den Menschen und das Beneidete.
Ein Ausschnitt aus ihrem Leben, bei dem ich denke: will ich auch, genau so.

Ich beneide (weiter):
- Andreas Neumeister fuer seinen Pooleintrag vom 24.12.99 ueber Taschenkalender und cremefarbenes Leben, den ich genauso auch gerne geschrieben haette.
- Eva und Christian um ihr schoenes Haus in Bangkok mit den Sitzkissen.
- Kristin um ihr gruenes Perlenarmband mit Klettverschluss von nikki b.(das sie auf einer Eroeffnung verloren hat, anstatt es mir zu schenken.)
- Cord um seine Klugheit.
- Barbara um ihren schoenen flachen Bauch.
- Rebecca, seit Jahren um ihre wunderschoene helle Lamfelljacke. (Traegst Du sie noch? Ich hoffe sie waermt Dich gut in diesen Tagen)
- manchmal alle Freunde ohne Kinder.
(ein Auszug)


Elke Naters - Happy New Year - 31.12.99 at 12:05:17




Rebecca, thanks for option!

Wir wuenschen euch allen ein GUTES neues Jahr und denken an euch, wenn wir als die ersten darauf anstossen werden. 6 Stunden vor Mitteleuropaeischer Zeit, unter Sternen.


Lieber S.
benutze ich dich fuer eine Form? Also, benutze ich dich? Ja. Ich muss immer einen Schritt zu weit gehen, um herauszufinden was passiert. Du hast mir nie verziehen, dass ich Nina gekuesst habe, an einem langweiligen Abend im Winter. Dass ich mit deiner Freundin in einem Bett schlief, mit ihr zusammen war, nachdem wir sowieso schon zusammen wohnten. Was wir beide im Grunde gar nicht wollten, weder zusammen wohnen, kuessen, noch miteinander schlafen.
Doch, du hast es mir verziehen, weil es bei dir genau so war, bei den bloedsinnigste Gelegenheiten. Aber am Ende dann wieder nicht, aus einer Laune, ich weiss. Aus einer verwirrten Laune.
Auf eine Art mag ich die Fehler und die Verwirrungen, die mir heute so klar sind. Der Tag an dem wir uns kuessten war einer der kaeltesten in Berlin, in dieser tristen Hinterhauswohnung in der Potsdamer Strasse. Mit diesem Kuss erinnere ich Eisblumen an den Fenstern, Panzer aus Eis, durch die nur noch das diffuse Licht dringen konnte. Wir lagen im Bett, tagelang, wochenlang und wenn wir den Allesbbrenner mit Holzresten heizten, ging seine Waerme nicht weiter als der Radius, in dem man vor ihm knien oder stehen musste.
Ein Elend, aber ich denke daran: liebevoll.
Ein neues Jahrtausend kommt und viele haben Angst und es erinnert mich an dich und Nina in den Achzigern, weil wir umgeben waren von Leuten mit Weltuntergangsangst. Ein ganzes Jahrzehnt der Angst, der Atomangst, Seuchenangst, Sinnangst, darum mochten wir dieses Jahrzehnt nicht. Eine alte, abgelebte Angst war das, eine dumme, egoistische Angst, von der umgeben wir auf eine unangenehme Art einsam waren. Berlin war in den Achzigern die Hauptstadt dieser vermufften Angst. Nick Cave, David Bowie, Neue Deutsche Welle; Dada und Truebsinn, wir die Fremdkoerper darin. Ich konnte mich inmitten dieser Stimmung nur mit CHIC, Lips Inc., Stooges, Supremes, Speed und LSD ueber Wasser halten, mit dem was ich dachte es waere Glam, der Glam einer Grossstadt, durch deren Leere wir naechtelang gefahren sind und dachten: grossartig.
Du gehoerst zu diesem Glam S., Nina und einige wenige andere. Ihr gehoert zu dem Funkeln, dem pulsierenden Spielsalonlicht, dem Sternenregen aus Verwirrung, Groessenwahnsinn, Spass und Hoffnung, Liebe und Scheitern. Darum muss ich dich benutzen S., nicht nur als Erinnerung, sondern als eine Gegenwart, ein Dasein, das ich am wenigsten mit meinen Briefen an dich behaupte , sondern das tatsaechlich da ist, real, Bestandteil einer Stimmung, die immer da sein wird, heute und morgen.


Sven Lager, Santos InternetShop Ko Lanta. Love and Happy New Year - may pool survive -, - 31.12.99 at 12:30:47




Der Termini ist nicht wiederzuerkennen.
Die Stadt ist wiederzuerkennen.
Ich bin nicht wiederzuerkennen.
Das Jahrhundert wird nie so wiederzuerkennen sein wie heute.

Cremefarbene Taschenkalender und die Wesenheit von
Badeschlappen. Das beschaeftigt mich, liebe Elke Naters,
das muessen Sie mir bei Gelegenheit so genau wie moeglich
erklaeren. Projekt "Dezember" endet um
Nullnullnull. Ist fett geworden. Frohsneusjahr.


HelK roma, i - 31.12.99 at 15:15:40




der Planet auf dem wir leben
der Kontinent auf dem wir leben

Sydney is over
Tokyo is over
Jelzin is over

Nanosekunde
Picosekunde
Femtosekunde
Attosekunde
Zeptosekunde
Yoctosekunde

hier in dieser Straße gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit anzeigen würden
hier in diesem Viertel gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit anzeigen würden

Schadensregulierung: Restwert - Zeitwert
(tickt er noch richtig?)

als ob das rasende Fortschreiten der Zeit irgendetwas Bedauernswertes wäre
als ob das rasende Fortschreiten der Zeit irgendwie aufzuhalten wäre

Abb.: La casa dei Di Mario


Andreas Neumeister Mjunik,, - 31.12.99 at 15:49:51




Allen Poolaner ein herzlieches Prost und allen anderen ein Jahrtausend ohne Tod und Krankheit, das wünsche ich mir, vor allem der dritten Welt weniger Kämpfe um Macht, und zumindest mehr Siege, wenn die Kämpfe denn sein müssen;
feiern wir uns, daß wir leben und die Zeit haben dafür, ich möchte küssen und fassen, was sich fassen läßt, gebt mir bitte weiter ein Stück eurer großen Hand.


robbe lipsia, - 31.12.99 at 17:23:24




Seoul is over
Manila is over

zeitdehnende Mittel
zeitspreizende Mittel
zeitverzögernde Mittel

(tick ich noch richtig?)

immer sind wir rechtzeitig am Bahnsteig gewesen, nie sind wir früher als notwendig am Bahnsteig gewesen, nie sind wir zu spät gewesen, immer sind wir zum letztmöglichen Zeitpunkt am Bahnsteig eingetroffen

zeitraffende Mittel
zeitverdichtende Mittel

der Staat in dem wir leben
das System in dem wir leben
(this is not a love song)

zeitvernichtende Mittel
(this is no gedicht)

Willkür des Dezimalsystems
(bist du plötzlich Christ oder was?)

der Nullpunkt als beliebige Setzung
(all engines running)

Abb.: Boris Jelzin

hier dieser Stadt gibt es keine zwei Uhren, die auch nur annähernd die gleiche Zeit anzeigen würden


A.N., Mjunik, - 31.12.99 at 17:50:42




Wir werden uns trennen, liebe 19. Mein ganzes Leben hast du mich begleitet, jeden Tag. Zuerst oben rechts, handschriftlich, dann oben links am Computer. München, den..., Hongkong, den..., Berlin, den... Die Hausaufgaben, die Prüfungen, die Briefe. Du bist eine Primzahl, genau wie mein Geburtstag. Jetzt, beim Abschied, merke ich erst wie nett spröde du warst. 19. Das 19. Jahrhundert schimmerte für mich immer leicht bismarckheringbläulich und Du, 20. Jahrhundert, ein wenig rembrandtbraun, aber mit Goldhelm. Unterholz mit Sonnenflecken. Und nun? 2000? Sehr hell, sehr blank.
Du bist für immer verloren, es führt kein Weg zurück zu Dir. Das einzig Gute ist jetzt die Schmähung um reinen Tisch zu machen: Das ist ja tiefstes 20. Jahrhundert.
Bye-bye, 19.
And party like its 1999.


Lorenz Schröter Berlin, - 31.12.99 at 18:10:43





KAISER'S
MUELLERSTRASSE 128
13349 BERLIN

MARL.LIGHTS 5,35
GURKE STUECK 1,29
TOASTBROT 1,79
RINDF.SUPPE 1,19
A&P KAFFEE 3,79
MILCH 1,59
KAUGUMMI 1,00
KAUGUMMI 1,00
A&P FILTERT. 0,89

SUMME DEM 17,89
DM DEM 102,89

REUCKGELD DEM 85,00

SUMME IN EUR 9,15
1 EUR = 1,955830 DEM

KASSE 3 / 22 BON 239 PC 2 H
DATUM:31.12.99 ZEIT:12:51:52 9

DANKE FÜR IHREN EINKAUF!

gerne
ich danke

krank

Freitag, 31.12.1999, Berlin


Rainald Goetz - 31.12.99 at 21:25:49




roundings per hour
roundings per day
roundings per month
roundings per year

Dehli is over
Bangkok is over
irony is over
irony is over is over
is over

Die Sekundenuhr auf der Piazza Venezia sagte nicht: noch sundsoviele Sekunden bis zum Heiligen Jahr. Die Sekundenuhr auf der Piazza Venezia sagt: noch soundsoviele Sekunden bis zum Jahr 2000. Ablass 2000 kling gut. Menschmaschine sagt: Nichtmal in Rom kommen Heiliges Jahr und Jahr 2000 zur Deckung

roundings per decade
roundings per century

Die Odyssee im Weltraum findet zum Auftakt des neuen Jahrtausends statt. Groundcontrol to Mayor Tom: Der Beginn des Jahres 2000 und der Beginn des neuen Jahrtausends sind leider nicht identisch. Showroom Dummy sagt: Who cares?

roundings per age

Zeitmaschine, kleiner Ausflug: Trotz eben erst erfolgter Mondlandung erschien uns das Jahr 2001, in dem die Odyssee im Weltraum stattfinden würde, immer Lichtjahre entfernt. An einem Samstag kurz vor dem Jahrzehntwechsel zum ersten Mal überschlagen, ob wir zur Jahrtausendwende rein rechnerisch noch am Leben sein können. Und wie alt wir dann werden würden

die Straße in der wir leben
das Haus in dem wir leben
das Zimmer in dem wir leben
das Bett in dem wir leben

Abb.: Piazza Venezia

I'm over
als ob die Platte einen Hänger hätte


Groundcontrol, Mjunik, - 31.12.99 at 21:26:56




Bryan Ferry sagt:
Nein, das ist nicht das ende der welt
Gestrandet an leben und kunst
Und das spiel geht weiter
Wie man weiss
Noch viele schönste ... wiedersehn


A.N. Mjunik, - 31.12.99 at 21:32:28




Walter Leisler Kiep sagt:
Was bleibt ist grosse Zuversicht


A.N., Mjunik, - 31.12.99 at 22:18:01




the end of the world as we know it
ist der Beginn einer Welt die wir nicht kennen

the beginning of a world wie don't know
ist das Ende einer Welt die wir nicht kennen

der Track ist zuende, wenn die Maschinen ausgeschaltet werden


A.N. Sexy Mjunik, - 31.12.99 at 22:21:09