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pool #63 01.10.-07.10.2000
pool #62 / pool #64
Andrian Kreye - 01.10.00 at 01:00:01
'Berlin ist gar nicht so,' sage ich zu meinem Nachbarn, dann kommt die nächste Szene, in
der Götz George von seiner Frau aus dem Reihenhaus ausgesperrt wird. Er steigt in einer
Bumspension ab, vor der sich die Penner an zwei brennenden Öltonnen wärmen.
'Oh Gott, glauben sie das bloß nicht,' dann haut Götz einer Nutte, die ihm der arabische
Zimmerboy im Parka angedreht hat, eins auf die Schnauze. Götz ist jetzt Harvey Keitel in
'Bad Leutenant', er schnauft und schwitzt und versucht sein Ding reinzustecken. Überhaupt
schnauft Götz, die ganze Zeit. Komplexe, getriebene Persönlichkeiten wie Götz müssen
schnaufen. Als Mordkommisar macht er einiges mit, sagt er aus dem Off. Zum Beispiel der
Tote mit dem abgebissenen Penis in der Pallasstrasse. In Sozialpallast. Als ich noch in
der Pallsstraße wohnte, verging kein Monat ohne Dreharbeiten. Jeder Regisseur sucht sich
sein Berlin.
Die Hauptverdächtige Corinna Harfourch wohnt natürlich in Kreuzberg. Türkische
Gemüsehändler mit nackten Glühbirnen über den Bananen. Die Harfourch kommt kaum zur
Haustür rein. Überall Jugendliche mit Baseballkäppis, die auf der Straße Skateboard
üben. Das Haus sieht aus als würde es gleich zusammenbrechen. Nie renoviert, 5 Tonnen
Edding an den Wänden.
'Es gibt spezielle Ausstatter für diesen Look', flüstere ich, als Corinna Harfourch 2
Groschen in ein Münztelefon einwirft. Sie spicht sich selbst auf den Anrufbeantworter was
so los war an dem Tag. Typisch Single, sie ist total durcheinander. Sie geht auf
Singlepartys von Katharina Thalbach. Eine Fünfzigjährige im Gruftielook macht ihr Götz
streitig, der ihr gefolgt ist. Dann knackt er die Nuß, also die Harfourch. Es folgt viel
Sex, Schnauf, Zitter, alle Stellungen: Die beiden hatten es echt nötig. Sie ist die
Mörderin, leider.
'Sie erschießt sich mit seiner Dienstwaffe', sage ich eine halbe Stunde vor dem Ende.
Mein Nachbar grunzt.
Wie läuft das bei so einem Film, sagt die Produzentin?:
'Nico, hör Mal, die Atmosphäre muß noch dichter werden. 'Der Sandmann' war ein Hit, bei
'Solo für Klarinette' machen wir noch ein bißchen mehr Blade Runner und Linie 1. Das
mögen die Leute gerne.'
'Junkies haben wir vergessen.'
'Stimmt', überlegt, 'der Päderast? Nee, der kann schon alle Bundesligaspiele aufsagen.
Genau! Der Sohn des Toten, der auf den Nacktfotos. Flughafentoilette, Überdosis.'
'SEHR gut. Mir ist noch eingefallen: Wo wohnt Götz Partner, der junge mit dem
Muschibart?'
Beide grinsen. Dann schreien sie gleichzeitig: 'AUF DEM HAUSBOOT.'
Sven Lager - B. - 01.10.00 at 11:14:41
Summa aus Hamburg:
Haltestelle hats geschafft.
Hat die Premiere überlebt in einem Hexenkessel aus Buhs und
Bravi und Störaktionen wildgewordener Irrer.
Die zweite Aufführung, vor "normalem" Publikum,
wurde zum Triumph. Die Inszenierung geht am Wesen des
Stückes vorbei, funktioniert aber einigermaßen.
Die Darsteller sind fast alle sehr gut.
Ich bin müde. müde. glücklich. stolz. (diese Reihenfolge.)
HelK backhome - - 01.10.00 at 15:29:30
Hach! Wann wird die Welt end -lich wieder normal?
Obwohl sie es sicher nicht ist, wirkt Katja irgendwie... christlich, wie sie die Frage in
die Runde stellt und sich die Brille hochschiebt, irgendwie keusch und sauber und ein
bißchen verklemmt.
Keiner sagt was.
Zum Beispiel diese Party-Tussi hinterher. Das hast du doch auch gehört, Ludger, wie die
gesagt hat: Naja, vom künstlerischen her, also vom intellektuellen her, hätte sie es
schon nachvollziehen können, aber Gefühl wär da nicht rübergekommen. Gefühl!
Ludger, rechts von ihr, ist damit beschäftigt kleine Knorpel aus seinem Mund zu holen,
denn er ißt Entenfüße. Er spricht nicht mit vollem Mund, nickt nur eilfertig.
Sag mal -
Sag mal -
Harald und Elvira fangen gleichzeitig an zu reden.
Du zuerst.
Nein, du.
Nagut: sag mal schmeckt das?
Ludger nimmt einen Entenfuß auf die Gabel, damit sich alle genau angucken können, wie
die vier Zentimeter Bein mit drei Zehen untendran und Schwimmhäuten dazwischen matt
herabhängen, umhüllt von einer rostbraunen glänzenden Soße. Er läßt seinen Blick
eine Weile auf dem abgetrnnten Gliedmaß ruhen.
Am Nebentisch:
Ich wurde hier vor einen halben Stunde schon beleidigt. Wasn das hier fürn Puff!?
Der Chinese lächelt mit der bekannten Höflichkeit darüber hinweg.
Ludger beendet seine Meditation.
Ganz hervorragend. Wirklich. Sehr zart und alles. Was ich sagen wollte: Der war das
einfach zu hoch, die hats nicht kapiert.
Meins ist auch ganz wunderbar.
Elvira lächelt und sieht hinunter auf die rosa Krabben, die sich in einer klebrigen
Reismehltasche drängeln.
Harald deutet auf Katjas Hand, die gerade wieder die Brille hochschiebt.
Wahnsinnsring, den du da hast.
Ja toll, nicht? Aus Wien. Hab ich sonst noch nirgends gesehn. Ein Fingerspitzenring.
Sie streckt die Hand über den Tisch und spreizt ihren Mittelfinger ab, an dessen oberem
Glied eine Art halboffener Fingerhut oder künstlicher Nagel steckt.
Wow!
Abgefahren!
Am Nebentisch:
Wieso hastn keine Zigaretten? Erlaubt die Mafia nicht oder was?
Können Sie außen gehen, Tankstelle oder Kiosk, bitte.
Halts Maul, Pfannkuchen.
Er lehnt sich zurück, kippt auf die Hinterbeine und streckt seinen Kopf rückwärts über
den Tisch, wo Katja immer noch ihre Hand hochhält.
Könnt ich mal ne Kippe von euch?
Ich rauche leider nicht.
Ich auch.
Ich auch.
Ludger, Harald und Elvira machen Entschuldigungsgesichter, Katja zieht nur ihre Hand weg,
aber zu spät: er hält sie fest.
Oho. Brauchst du was, hm.
Zischel, flüster.
Wie bitte?
Er macht ein Schnupfergeräusch, Katja versteht nicht und schüttelt verwirrt den Kopf. Er
steht auf und setzt sich neben Katja, links, ganz dicht und hält dabei die ganze Zeit
ihre Hand fest. Schnell schiebt sie mit der freien die Brille hoch.
Koks. Hm? Hä?
Also was, wirklich, nein!
Na, das ist doch son Kokserring. Hä!?
Katja kriegt rote Flecken am Hals und keiner hilft ihr, alle gucken auf ihre Teller, auf
die Krabben mit den schwarzen Augen, die toten Entenfüße, die süß-sauren
Schweinerippchen.
Ohgott! Nein, das ist ein Mißverständnis.
Vergiss es, Hühnchen.
Er steht auf und geht zur Tür.
Du solltest dir besser n Zigarettenautomaten anschaffen, Schlitzauge!
brtt hmbrg - - 01.10.00 at 15:47:13
PS: Bitte nur über 'schreiben' zu the Buch. Es wandert.
Big PS: Warum über mittelmäßige Filme reden? Heute den besten Film seit langem gesehen:
'My First Mister' von Christine Lahti. Nicht nachdenken. Reingehen. Falls er denn Mal
läuft.
s.l. - b. - 01.10.00 at 17:23:00
4/10 - 01.10.00 at 17:24:14
nochn PS, lieber Sven: Harfouch.
helk m - - 01.10.00 at 18:55:44
Andrian Kreye - 02.10.00 at 03:22:37
1.) Dilettantenbiene
2.) Carsten Regel
3.) Tina Obladen
4.) Olrik Kleiner
5.) Marcus Janowski
6.) Marcus Peichl
7.) Nina Pelke
8.) Ole Groenwoldt
9.) Holm von Czettritz
10.) Adriano Sack
11.) Jürgen Nerger
12.) Uriz von Oertzen
13.) Kai Diekmann
14.) Leif Nüske
15.) Christoph Dallach
16.) Stefanie Hellge
17.) Tobias Albrecht
18.) Kai Sievers
19.) Michel Obladen
20.) Nici Reidenbach
21.) Carsten Ritter
22.) Ulrika Akerlund
23.) Wolfgang Höbel
24.) Cathrine Smithson
25.) Moritz Reichelt
Christian Kracht Bangkok, Thailand - - 02.10.00 at 06:52:41
Haltestelle.Geister.
wird komplett abgedruckt
im Novemberheft von
"Theater der Zeit".
HelK m - - 02.10.00 at 17:22:43
AK, NY - - 03.10.00 at 02:58:43
1.) Rebecca Casati
2.) Martin Fengel
3.) Joachim Bessing
4.) Claudius Seidl
5.) Lea Schmidbauer
6.) Tom Ising
7.) Ayzit Bostan
8.) Moritz von Uslar
9.) Andi Bohl
10.) Andreas Neumeister
11.) Jacob Claussen
12.) Ulf Poschardt
13.) Aylin Langreuther
14.) Clark Parkin
15.) Michael Althen
16.) Thomas Bär
17.) Georg Diez
18.) Konstantin Grcic
19.) Judith Grubinger
20.) Sophie Zeitz
21.) Maxim Biller
22.) Reinhold Böh
23.) Heidi Munz
24.) Anka Mekota
25.) Tobias Timm
Christian Kracht Bangkok, Thailand - - 03.10.00 at 17:19:44
I.
Immer ist es schöner, wenn es schön ist: Augsburg war schön. Göttingen war schön.
Berlin war schön. Auch Berlin ist bei schönem Wetter immer am schönsten
II.
Jahrelang, bis zur Wende von Stalingrad, behauptet Vater, hat es ein sogenanntes
Hitler-Wetter gegeben. Auch zur Winterolympiade in Garmisch hat es das sogenannte
Hitler-Wetter gegeben. Wie auf Bestellung, behauptet Vater, habe es zu allen
NS-Großveranstaltungen prompt das jeweils passende, sogenannte Hitler-Wetter gegeben. In
einem bisher schneearmen Winter hat es pünktlich vor der Winter-Olympiade in Garmisch zu
schneien begonnen. Das Hitlerwetter ist immer das jeweils optimale Wetter für die
jeweilige NS-Veranstaltung gewesen. Bei der Sommerolympiade in Berlin hat es prompt das
ideale Sommerolympiadenwetter gegeben. Bei den Reichsparteitagen in Nürnberg hat es bis
zur Wende von Stalingrad prompt und regelmäßig das passende Reichsparteitagswetter
gegeben
Abb.: Deutsches Eck in Koblenz
Andreas Neumeister, Mjunik - - 03.10.00 at 17:47:12
5/10 - 03.10.00 at 18:04:52
Subtropischer Regen
Regen wäscht die letzten Farbreste von den alten Hotels ab
Regen fliesst über leere Fenster
Hirnblankifizierung
So vergeht der Sommer
The Physical Rush Of Instant Hardcore Information
Mach Wirklichkeit wieder spürbar!
Sezier auf fundamentaler Ebene!
Jetzt: Hitze
Dort: Glüht die Sonne
Kein Mensch bewegt sich vom Fleck
Hallo "Freunde".
Die Palmen schwingen ganz leicht
Record it!
tkla - 03.10.00 at 20:24:29
Die Kupfergefärbte, die in der Premiere von 'Haltestelle. Geister' im Parkett sass und,
das Schamgefühl ihrer Freundin ignorierend, Frequenz und Lautstärke ihrer Buhrufe immer
dann erhöhte, wenn sich jemand zu ihr umdrehte, trug eine dreireihige Perlenkette.
"Viel zu viel Sex, ist ja hier schliesslich nicht die BILDzeitung!" Ich habe
auch so eine Perlenkette. Geerbt, nicht gekauft, nie getragen. Das sollte ich dringend
tun. Dann sehe ich endlich all die Dinge, die mir sonst verborgen bleiben, da draussen.
Kathrin Glosch, OS - 03.10.00 at 23:34:17
Andrian Kreye - 04.10.00 at 00:12:43
Für HelK, Theater-Hooligan
"Es gibt einen einzigen fruchtbaren Beginn im Leben: die Hooligan-Erfahrung. Nichts
respektieren, nur an sich selbst glauben, an seine Jugend, an seine Biologie... Wer nicht
so anfängt, sich selbst oder der Welt gegenüber, wird nichts schaffen. Die Wahrheiten
vergessen können, genug Leben in sich haben, um sich weder beeinträchtigen noch
beschämen zu lassen - das ist die Berufung zum Hooligan."
Mircea Eliade, Bukarest 1935
GMO - 04.10.00 at 00:34:25
Oskar sagt: Don't believe the hype! Oskar sagt, P.E. sagen: Don't believe the
hype! Man muss nur davor warnen, den jetzt gleich folgenden, den als solchen grundehrlich
angekündigten superhype unbedingt zu misstrauen, schon hat man die beste Garantie dafür,
dass es tatsächlich ein superechter superhype wird. Believe the hype: Göttingen hat
gerockt. Man muss nur behaupten, etwas würde rocken. Schon rockt es. So einfach ist das,
Freunde!
Abb.: Hotel Novostar, Göttingen
Andreas Neumeister - 04.10.00 at 00:48:05
In der Frankfurter Rundschau steht heute, ich sei
"durchgeknallt". Als ich das las, war ich für einen
Moment lang sehr glücklich und dachte: Geil!
Das ist die Lösung ALLER Probleme.
HelK immernochgrinsend - - 04.10.00 at 11:28:43
Moderne Kleidung I
Sozialverträglichtierfreikostengünstigelegant
Schuhe: Ich drücke mir bei Footlocker die Nase an der Schaufensterscheibe platt. Direkt
vor mir stehen wieder mal die geilsten Nikes der Welt. Die allergeilsten. Seufz. Nur
leider kosten die zweihundertneununddreißig Mark, was schlimm ist, aber nicht das
schlimmste. Das ist nämlich: Nike läßt die Schuhe in Vietnam, China und Indonesien
herstellen, von Kindern, für ein paar Pfennige am Tag. Das wird also nichts mit uns, ihr
Schönen. Obwohl -
- Hey Lady.
- Oh, K., hallo.
- Die sind geil, hä!?
- Allerdings.
- Schon mal die Sohlen gesehen? Kommen so platinenmäßig. Oder mehr so
borgschiffoberflächenmäßig. Kennst doch das Borgschiff?
- Ja, klar. Trotzdem.
- Ich lieb das Air-System.
- Und den Reißverschluß. Und den Farbverlauf. Und die Zahlen auf der Lasche. Ich weiß.
- Komplett aus HiTecFasern. Geil.
- Ich weiß.
- Wasn los? Keine Kohle?
- Hmm.
- Alles klar, Missy. Ich hab n Vorschlag. Du gibst mir n Fuffi, ich maschier da rein, kein
Problem, zehn Minuten und du hast die Dinger.
- Ups. Ich weiß nicht.
- Hey komm. Jeden Tag eine gute Tat. Pfadfindermäßig. Ich bin komplett abgebrannt.
K. knufft mich von der Seite, er braucht immer Geld. Immer.
- Also, wie siehts aus?
- Fuffi?
- Fuffi!
K. steht neben mir in einem Hinterhof, als ich die neuen Nikes anziehe. Schöne, böse
Nikes.
brtt hmbrg - - 04.10.00 at 15:34:29
oder die Stille. Alles
oder die Stille. Musik
oder die Stille. Oder Musik,
die Stille nachahmt. Frankfurt oder
Mainstream.
HelK m - - 05.10.00 at 01:20:17
Andrian Kreye - 05.10.00 at 04:08:28
6/10 - 05.10.00 at 20:16:35
Andrian Kreye - 06.10.00 at 06:32:00
Ein Freitagabend in Hamburg. Verwegene verwunschene Gestalten haben sich an einer
Bushaltestelle versammelt. Ziemlich heruntergekommen, das Ganze. Von Anfang an nicht viel
mehr als trostlos. Hoffentlich kommt der Bus bald. Aber gerade der lässt auf sich warten.
Und was sollen die Leute da schon machen? Fangen halt an, sich Geschichten zu erzählen.
Doch Stop! Irgendwas stimmt hier nicht. Mag sein, dass Menschen an Bushaltestellen
irgendwelche Geschichten vor sich hin brabbeln. Aber kein Passant, der ihnen dabei
ernsthaft zuhören würde. Viel zu peinlich, das. Aber wir sind hier ja auch gar nicht im
Leben. Sondern im Theater.
Auch das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg hat einen neuen Intendanten. Er heißt Tom
Stromberg und war bislang Kulturchef auf der Expo. Die erste Vorstellung. Der erste Gong
zur Vorstellung. Das erste Verlöschen des Saallichts. Im Parkett und auf zwei Rängen
mehr als tausend Zuschauer, die alle wissen wollen, wohin nach der Ära Baumbauer die
Reise mit der größten Sprechbühne Deutschlands gehen soll. Jung soll es werden an der
Kirchenallee, noch jünger als in den vergangenen Jahren. So viel hat Stromberg schon
verkündet. Und deswegen hat er seinen Einstand auch in (relativ) junge Hände gegeben:
Helmut Krausser schrieb ein Stück mit dem Titel "Haltestelle. Geister''; Jan Bosse,
Strombergs Hausregisseur, hat es inszeniert. Auch dies also eine Visitenkarte- ihren
Empfang hätte man gerne verweigert.
Was im Schauspielhaus über zwei lange Stunden zelebriert wird, ist einfach nur dummes,
uninteressantes Gelaber. Die Figuren heißen "Grillimbiss'' oder "Tusse 2''; und
sie benehmen sich nicht nur so, sie sehen auch noch so aus. Alles im Verhältnis eins zu
eins. Die Mädels sind hysterisch und die Kerle obskur gekleidet, vor allem unten herum.
Alles so, wie man es in den vergangenen Jahren schon hunderttausend Mal auf einer Bühne
gesehen hat. Die Figuren erzählen sich kruden Kram. Eine Figur kommt von einem fernen
Planeten, die andere wartet auf die Internetliebe. Natürlich ist alles vergebens. Nur das
mit den Drogen, das klappt prima. Es wird selbstverständlich viel vom "Ficken''
geredet, von Blut und Schmutz und Sperma, von Verstümmelung, Tod und Orgasmus, aber alles
ganz beiläufig und krypto-ironisch. Na prima. Dann hätten wir das also auch mal so
gehört. Mehr ist über diese zweistündige Belanglosigkeit wirklich nicht zu sagen.
Doch es ging ja noch weiter, der Hamburger Einstand eines neuen Intendanten war noch lange
nicht zu Ende. Nach einer Stunde Erholung wurde das Publikum wieder herbeigeklingelt, um
einer Tanzperformance des französischen Choreographen Jérome Bel beizuwohnen. Bel ist
einer, der über die Grundlagen seiner Arbeit reflektiert, also darüber, ob man als
Tanzkünstler dem Publikum überhaupt Tanzkunst darbieten soll. Beziehungsweise darf.
Beziehungsweise kann. Für Hamburger Verhältnisse heißt dies, dass er einen Discjockey
an der Bühne sitzen und CD's mit Poptiteln der letzten dreißig Jahre spielen lässt,
während auf der Bühne sehr viele Schauspieler stehen, die nicht mehr tun als das
Naheliegendste. Immer alles im Verhältnis eins zu eins, also lange einfach still am Platz
verharren. Oder zu "Macarena'' Macarena tanzen. Oder zu "Yellow Submarine''
langsam im Boden versinken.
Schon nach kürzester Zeit ist erreicht, was der Intendant Stromberg und sein Choreograph
Bel wohl wollten: Im Publikum brechen Tumulte aus, deren Berechtigung zwei Tage später
Hamburgs Lokalpresse ausführlich reflektieren wird. Ein Drittel der Zuschauer findet das
alles blöd. Ein weiteres Drittel findet die blöd, die das blöd finden. Und ist es nicht
toll, fragt prompt die besagte Presse, wie uns das Theater noch richtig in Rage bringen
kann? Eins zu eins. Welch ein müdes, abgekartetes Spiel.
Tim Schleider; Stuttgarter Zeitung
HelK ohne Kommentar - - 06.10.00 at 10:43:00
Gäähhn. Muß das sein?
Elke Naters - B. - 06.10.00 at 13:55:44
verzeihung, liebe elke. ich hatte nicht das gefühl, jemandem den platz wegzunehmen.
für euch in bangkok ist das wahrscheinlich alles andere als spannend, aber hier gehts in
sachen theater gerade richtig rund. aber kein wort davon mehr am pool.
versprochen.
HelK m - - 06.10.00 at 14:32:14
Guten Tag. Ich bin Schriftsteller.
Haben sie Kinder?
Nein, dieses Auto gehört nicht mir.
Nein, diese Tasche auch nicht.
Heute regnet es viel, nicht wahr?
Ja, das Essen schmeckt wunderbar.
Wie ist ihr Spitzname bitte?
Nein, das ist zu teuer.
Hinter der Wand hat ein schweres Rumpeln angefangen. Als würde jemand nach Öl bohren.
Der Lehrer stellt das Tape aus und lächelt. Wir sind nur zu dritt in der Klasse, so
können wir ihn ganz gut verstehen. Der Raum ist nicht größer als unsere Küche. Tokyo
steht an der Tür. Es sind gleich kleine Räume auf drei Stockwerken. Sie heißen Berlin,
London, New York, Paris. Die hübschen Japanerinnen mit den New Wave Frisuren lernen in
Berlin. An der Rezeption wartet man mit den anderen Schülern auf den Unterricht. Die
Aircondition fällt aus. Es wird warm. Pullover werden ausgezogen. Mit der Hitze kommen
die Gerüche. Fleischspießchen, süßes Eau de Cologne, Socken.
'Heiss' schreibt der Lehrer mit einem Edding an die abwischbare Tafel. Und lächelt.
Sven Lager - B. - 06.10.00 at 20:32:46
Netterweise versuchen die Verfasser von Sprachkursen den Schülern meist auch gleich ein
Gefühl für das Land mitzugeben, das sie dann mit der neu erlernten Sprache bereisen
können. Deswegen bekommt man beim Erlernen von mediterranen Sprachen schon im ersten
Semester freundliche Anmachsprüche beigebracht, so von der Sorte "Möchten Sie gerne
einen Kafee mit mir trinken?", "Sind Sie verheiratet?" und "Mein Hotel
ist sehr schön." Beim Deutschkurs im Deutschen Haus in New York lernt man dafür
nach wenigen Wochen Sätze wie "Können Sie nicht lesen? Rauchen ist hier
verboten".
In einem Reiseführer für den Sudan waren auf den zwei Seiten mit den wichtigsten
arabischen Wendungen "Ich muß mich hinsetzen" und "Mir ist so heiß, ich
möchte sterben" zu finden. In Guatemala brachte mir mein Spanischlehrer Anfang der
90er Jahre in der ersten Woche die Worte "Gewerkschaftsversammlung",
"Demonstration" und drei verschiedene Begriffe für "erschießen" bei.
Andrian Kreye, NY - - 06.10.00 at 21:04:43
Abb.: Donna und Ronnie Williams im Musical Hair
Abb.: Donna mit ihrem österreichischen Ehemann Helmut Sommer und Tochter Mimi
Abb.: Giorgio Moroder und Heidi Post
Abb.: Giorgio Moroder (rechts) als junger Musiker
Abb.: Donna und Peter Mühldorfer - die ewige Liebe dauerte nur einen Sommer
Abb.: Stolz präsentiert Donna Summer ihr erste goldene Schallplatte. Von links nach
rechts: Cecil Holmes, Giorgio Moroder, Donna, Neil Bogart
Abb.: Donna besucht Frankie Crocker, einen der bekanntesten Discjockeys von New York
Abb.: Donna als Discjockey
Abb.: Als Unschuld vom Lande
Abb.: Als sexy Vamp
Abb., oben: So haben Donnas Eltern ihre Tochter noch nicht gesehen: aus Zucker auf einer
riesigen Torte, die es zur ersten Goldenen gab
Abb., links: Im Beverly Hills Hotel
Abb., oben: Zu Besuch in der Garderobe der Pointer Sisters
Abb., links: Donna kann nicht klagen - ihre Platten finden reißenden Absatz
Abb.: LaDonna Andrea Gaines
Andreas Neumeister - 07.10.00 at 00:04:21
Andrian Kreye - 07.10.00 at 00:08:29
Moderne Kleidung II
Sozialverträglichtierfreikostengünstigelegant
Wir sind wunderbar verstrahlt, weil wir seit vier Stunden in der Sonne liegen und Rotwein
trinken. Ich liege neben J. auf dem Bauch und beobachte den Käfer, den er unermüdlich
von seiner rechten auf die linke auf die rechte, die linke Hand krabbeln läßt. Der
Käfer merkt nichts, ein Idiot auf einem Laufband. J. kichert.
- Weißt du, was ich mich frage, seit wir uns kennen?
- Nö.
Ich sehe ihn an und warte, aber er guckt nicht hoch von seinem Käfer. Ich mag das nicht,
wenn ein Gespräch so angefangen wird.
- Also was?
- Was was?
- Na, was du dich fragst.
Er rollt sich auf den Rücken, zeigt in den Himmel, ich sehe nach oben.
- Hä!?
- Aaalso...
Er zeigt gar nicht, sondern läßt nur den Käfer nach oben klettern, der die Fingerspitze
erreicht hat, sich jetzt aufbläht und schwerfällig abhebt. J. läßt den Arm sinken.
- Ich frag mich, ob du jemals Unterwäsche trägst.
Er spricht in den Himmel. Ich sehe ihn von der Seite an und hoffe, daß er weiter redet,
aber sieht dem Käfer nach und schweigt.
- Wie kommstn da drauf?
- Naja, ist mir halt paarmal aufgefallen.
- Was?
- Daß du eben keine trägst.
- Und?
- Nix und.
- Und warum fragst du dann?
- Ich weiß nicht, weil...
Der unfertige Satz hängt noch einen Moment über uns und zerplatzt dann.
Später steht er mit ausgestreckter Hand vor mir, um mir hochzuhelfen.
- Ich hab Durst.
- Ich auch.
Leicht schwankend stehen wir uns gegenüber und ich ziehe meine Hand nicht weg.
brtt hmbrg - - 07.10.00 at 15:04:38
Sätze, die ich im Sprachkurs gerne lernen würde:
Sagen Sie, muß das sein, daß Sie am Samstag Morgen den Rasen mähen?
Ich hätte den Cappuchino gerne genau so heiß, daß ich ihn gleich, also sofort, trinken
kann.
Ihre Augen sind schön wie eine knospende Lotusblume.
Bitte kneifen sie mein Kind nicht in die Backe.
Sagen Sie, wie machen Sie das, Sie essen jetzt schon das zweite Menu und sind schlank wie
eine ... ? (Lotusblume, Crysantheme, Orchidee)
Nein Danke, ich mag Hühnerfüße nicht so gern.
Fahren Sie los, egal wohin, keine Sehenswürdigkeiten bitte, einfach nur cruisen.
Gibt es diese Nikes mit roter statt blauer Sohle und ohne den Swoosh und diese Schnörkel,
und ach, auch noch in meiner Größe?
Ja, ha ha, Kindersärge sagt man bei uns dazu!
Der neue Ang Lee Film, wie heißt der noch gleich? Zeigen Sie den demnächst?
Bitte lassen Sie mich los, ich bin nicht Bruce Willis.
Wir haben 20 gesagt, rück sofort den Schein wieder raus!
Sven Lager - B. - 07.10.00 at 21:46:19
7/10 - 07.10.00 at 21:47:37