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pool #65 15.10.-22.10.2000

pool #64 / pool #66

 



10/10 - 15.10.00 at 06:42:46




Kreisfahrt in der Gummizelle (formerly known as: Der Krieger und die Kaiserin)
Ein Mädchen, das in "der Anstalt" geboren wurde und deren Mutter möglicherweise durch die Hand des Vaters starb, der nämlich einen Toaster zu ihr in die Badewanne warf und dem wiederum das Mädchen nächtens einen abwichst, verliebt sich in einen Jungen mit nässenden Augen, der seine Frau verlor, weil die sich mitsamt einer Tankstelle in die Luft gesprengt hat, während er auf dem Pott gehockt und von der Sache nicht viel mehr mitbekommen als orange-flackerndes Licht. Jetzt lebt er mit seinem Bruder in einem Abbruchhaus, verbringt seine Freizeit auf Tankstellenklos (so behauptet zumindest sein Bruder) und ist zur Liebe nicht mehr fähig. Dazu sagt das Mädchen: "So geht das nicht.", weil der Junge ihr mit einem Luftröhrenschnitt das Leben rettet, nachdem sie von einem Laster überfahren wurde, während die als Passanten getarnten Komparsen rumstehen und a weng bleed schaun. Dann macht er sich vom Acker, er hat andere Sorgen. Irgendwann, nach zähem Hin und Her und allerlei bedrückenden Ereignissen, muß er natürlich einsehen, daß das so - ohne Liebe! - nicht geht und sie können zusammen im Auto wegfahren und wahrscheinlich sogar glücklich werden, weil sein inzwischen ebenfalls verstorbener Bruder mit einem alten Schulbus angefahren kommt und das weinende Ich des Jungen mitnimmt in die ewigen Jagdgründe. Schnief.
So eine große, emotionale Geschichte muß natürlich ohne Humor, in symbolträchtigen Bildern und mit ordentlich Rückblenden erzählt werden und damit auch der gröbste Klotz von Zuschauer versteht welches Wunders er Zeuge wird (das Wunder der Liebe, du Idiot!), sprechen die Figuren wenig, aber wenn, dann bedeutungsschwangere Worte. Nichts von diesen tiefen Gefühlen soll uns verloren gehen, deswegen muß das alles in Großaufnahmen festgehalten werden oder in Kreisfahrten, Fahrten überhaupt, die nach Möglichkeit dann aber schon auch in einer Nahen enden. Den Schweiß wollen wir sehen, die Tränen und die Mitesser.
Nach ungefähr zwanzig Minuten (und da hat man noch etwa zwei Stunden vor sich) hebt sich beim Luftröhrenschnitt des Zuschauers Magen, weil wir minutenlang zuschauen, wie der Junge mit einem Strohhalm Blut aus dem Mädchen schlürft (hey, wer lacht da, das ist KEIN Splatterfilm!). Lecker! Fast noch etwas ekliger ist die Musik: Da haben sich wohl Pink Floyd und Jean-Michel Jarre zusammengetan, ein nicht enden wollendes Intro "komponiert" und den Schinken mit dem Sound zugekleistert.
Aber natürlich enthält auch dieser Film einen Funken Wahrhaftigkeit, eine ehrliche Aussage:
Jedesmal, wenn wir unendlich langsam und langweilig einen Blick auf das Anstaltsleben werfen, kriegt eine Insassin einen Anfall und schreit rum, was das für eine Scheiße ist. Sie hat recht.


brtt hmbrg - - 15.10.00 at 13:53:31




traurig, brtt.
bretterbretterbretter.


HelK m - - 15.10.00 at 15:31:58




Topthemen der Woche:

1. Mount Kailash
2. Israel
3. Gold
4. abdominal breathing

Dhaka (Bangladesh) International Airport Gate 2: die Frau vom Bodenpersolan der Biman Bangladesh gibt Sandwiches aus: "Veg or non-veg?" Eine Amerikanerin mit Louis Vuitton Rucksack (fake) antwortet: "Where can I smoke?". Die Frau der Biman Bangladesh zeigt mit einem vegetarischem Sandwich in Richtung Gate 1: "In the toilet, madam."


Eva Munz Phokarah, au Nepale - - 15.10.00 at 16:54:37





Underarm perspiration out of control?
: http://www.stopsweat.com.


E.N. Bangkok - - 15.10.00 at 19:14:23




I Love The Nightlife pt.4 / Freunde II


Andrian Kreye, NY - - 15.10.00 at 19:29:21




1.
Danke Aylin und Lea für die sehr schöne Serie

2.
Freundlicher Hinweis auf die wunderbare Dilettantenbiene im loop

3.
'Be a friend
rewind
when you reach the end'

Für alle Lebenslagen gut


Sven Lager - B. - 15.10.00 at 19:47:39




Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Tykwer: Vollschwein-Depp. Britta oben: herrlich rausgegast, warum.


Moritz von Uslar, München - 16.10.00 at 16:58:32




 


Howard Sheronas - by mail - 16.10.00 at 19:54:33






Neue Gäste am pool:

Cathy Skene



und

Dilettantenbiene (Sabine Weber)



Herzlich Willkommen!


Sven Lager - B. - 16.10.00 at 19:58:37




I Love The Nightlife pt.5


Andrian Kreye, NY - - 16.10.00 at 23:08:55




meine zwanzig deutschen Lieblingsfilme 1970 - 2000:

1. Fitzcarraldo
2. Aguirre, der Zorn Gottes
3. Lola rennt
4. Der Krieger und die Kaiserin
5. Nosferatu
6. Schtonk
7. Das schreckliche Mädchen
8. Das Boot
9. Der Hammermörder
10. Kinderspiele
11. Die tödliche Maria
12. Winterschläfer
13. Das Leben ist eine Baustelle
14. Manila
15. Faustrecht der Freiheit
16. Kanakerbraut
17. Der Totmacher
18. Die Ehe der Maria Braun
19. Kehraus
20. Nordkurve


HelK diesiebtelbauern,bennysvideo und indien sind österreichische filme - - 16.10.00 at 23:49:51




Montag, der 16.10.2000

Vier Uhr morgens und ich kann nicht schlafen. Die Gedanken rasen so schnell durch den Kopf, daß ich nur noch die Nummerschilder sehen kann. Ich kann nicht schlafen und bin auch nicht wach, bin irgendwo dazwischen, in der Welt zwischen Traum und Wachsein. In der Zwischenwelt, ich glaube, da ist alles möglich. Hier laufen sie alle rum, die Ängste und die Träume und die ganzen verdrängten und unter den Teppich gekehrten und nicht zuende gedachten Kleinigkeiten, wie die Stecknadeln bohren sie jetzt in meinem weichen Hirn herum.

Zwölf Stunden später:
Jetzt habe ich auch noch Rückenschmerzen. Ich werde mich gleich wieder ins Bett legen, weil das Herumlaufen in Altona überhaupt nicht geholfen hat, ich wollte die ganze Zeit am liebsten zu Boden sinken und mein Schicksal beklagen, aber das tut noch mehr weh als stehenbleiben, darum habe ich das nicht gemacht. Und aus tausend anderen Gründen, alles Variationen von " Das gehört sich nicht".
Der Schmerz ist wie ein Sattel, zentral hinten auf dem Steißbein und zieht sich dann rechs und lienks die Oberschenkel runter. Ich gehe auch wie eine Ente. Wenn ich das Bewegungstempo erhöhe oder irgendetwas anderes falsch mache, was ich noch nicht herausgefunden habe, sonst würde ich es ja bleiben lassen, dann zieht er bis in die Knie und die Waden herunter.
Ein kleines menschliches Wrack. Habe erstmal eine Tafel Kinderschokolade gegessen, weil die Kinder-Schokobons in der kleinen Konditorei ausverkauft waren. Und wundersamerweise hilft das immer. Gegen alles. Sogar gegen Liebeskummer, verdorbenen Magen, Kater. Schokolade hilft immer.

Dienstag, der 17.10.2000

Eine schmerzfreie Nacht, gut geschlafen. Vor dem Aufstehen hatte ich so richtig Angst, ich wollte mich nichtmal zum Wecker umdrehen, um zu gucken, wie spät es ist. Habe es dann doch gewagt, ich kann ja nicht den ganzen Tag wie ein Stock im Bett liegen. Und es geht. Die Verspannungen haben sich jetzt ordentlich den Rücken rauf und runter verteilt, so daß jede einzelne Bewegung gar nicht mehr so schlimm ist. Ich kann die Schokolade absetzen.


Sabine Weber Hamburg - - 17.10.00 at 10:20:29




I Material Girl


Andrian Kreye, NY - - 17.10.00 at 16:30:59




Ursula Döbereiner - 17.10.00 at 21:18:23




das problem mit denen, die nichts wissen, ist,
daß sie nicht wissen, daß sie nichts wissen.




der tag ist tot.
die leiche des tages liegt auf mir.
soviel zeit verschwendet. überall im zimmer
liegen tote tage herum. verstümmelte,
zerquetschte, herumgebrachte, umgebrachte
tage.
im frühling werd ich die fenster öffnen
und einen tag nach dem andern in den
garten schmeißen, und ich werde in den
garten gehen, den gestank einatmen und
zur sonne sagen: laß sie stärker stinken,
ich will mir sicher sein, daß
es sie gegeben hat.




Ich verabschiede mich vom Pool.
Gruß an alle, denen gegenüber ich überheblich gewesen bin,
sorry, Gruß und Respekt an Nickel, Kreye, einen großen Dank
an Sven und Elke, ihr seid wunderbar.


HelK byebye - - 18.10.00 at 01:15:37




Geschätzter HelK;

Ihr Ausscheiden kann doch unmöglich mit der schönen Illustration von Frau Döbereiner zusammenhängen. Warum denn dann?
Noch schnell ein paar Topthemen der Woche:
-Fight Club
-Geburtstag
-Royal Canin
-das neue Sony-Handy


Rebecca Casati München - - 18.10.00 at 10:18:52




Nebel windet sich aus dem Douro-Tal unter der Stahlbrücke nach Porto hinein, die grünen und roten Leuchtbuchstaben der Kellereien in Vila Nova da Gaia verschwinden im grauen einschnappendem Dunst, zuletzt der Name Fonseca.

Don't tell me.

Später, auf dem Flug von Vigo nach Madrid, sehen die roten Ocker-Muster der verbrannten spanischen Ebene in der Abendsonne aus wie ein unendlicher Paul Klee.


Eckhart Nickel way back - - 18.10.00 at 12:33:50




Mittwoch, der 18.10.2000

Jan ist gestern abend vorbeigekommen. Um mir zu sagen, daß unsere Affäre vorbei ist, weil er sich verliebt hat. Mir war das irgendwie schon klar, so wie er zur Tür reingekommen ist und sich in die Küche gesetzt hat. Und gleich eine Zigarette gedreht und angesteckt hat und ein bißchen nervös gewirkt hat.
Es war nicht schlimm, also, nicht verletzend für mich, weil ich nicht verliebt in ihn bin.
Aber komisch, komisch war es. Er saß da mir gegenüber und erzählte. Ich saß auf meinem Stuhl, die Füße angezogen und mit auf die Sitzfläche gestellt, die Hände um die Knie gewickelt. Ich glaube, ich habe ihn ziemlich verkrampft angegrinst und gesagt, daß mich das wirklich freut und ich ihm die Daumen drücken, während ich versucht habe zu entziffern, was da auf seinem Heavy-Metal-Sweatshirt steht, und herauszufinden, was ich jetzt empfinde.
Er ist auch sehr bald wieder gegangen, ich glaub, am liebsten hätte er in die Finger geschnippst und sich in Luft aufgelöst.
Und ich weiß noch immer nicht, was ich da empfinde, was da jetzt LOS ist.
Ich war auch den ganzen gestrigen Abend damit beschäftigt, das herauszufinden.
Jetzt gerade denke ich, nachdem ich so etwas wie "ich war vielleicht doch verliebt", oder "ich will das auch wieder mal erleben, verdammt, warum verliebt sich keiner in MICH?", abgehakt habe, daß es so etwas wie Verrat ist, wenn einer aus der eingefleischten Single-Gemeinde (er war ja zudem noch auf Probe bei den Singles!!!) plötzlich meint, sein Glück gefunden zu haben - und es bestenfalls auch noch gefunden hat, Verrat, an denen, die übrig bleiben, die immer noch behaupten, daß Alleinsein echt o.k. ist, daß man total frei ist und auch gar keine Zeit für eine Beziehung hat.
Natürlich auch so etwas wie Verlust, aber weniger körperlicher Verlust, als dieses Gefühl, daß man doch nicht ganz allein ist, daß da jemand ist, und überhaupt. Ach verdammt. Jetzt ist da jedenfalls niemand mehr.
Jedenfalls ist er jetzt weg und das ist auch nicht schlimm. Schlimm ist nur, daß keiner mehr da ist.
VERDAMMT NOCHMAL, ich war wirklich nicht verliebt und es ist echt o.k., aber es ÄRGERT mich, ich hätte das gerne SELBER gemacht. Mich verliebt und gesagt, sorry Baby, das geht nicht mehr, ich bin verliebt und es schaut gut aus. AAARRRGGGHHH!!
Scheiße. Ich konzentriere mich jetzt wieder auf die wichtigen Dinge im Leben.


Sabine Weber Hamburg - - 19.10.00 at 10:51:16




Donnerstag, der 19.10.2000

Alles Lügner! Die Säcke von der Post haben mir eine Karte geschrieben, daß sie mich gestern nicht erreichen konnten und ich mir nun mein Päckchen selber abholen kann.
Ich war den ganzen Tag ZUHAUSE, ich habe ja sogar was angezogen, womit ich im Zweifel auch die Tür aufmachen kann, nur für den Fall, daß so ein Postheini kommt, weil Amazon meine Bestellung verschickt (!!!) hat. Das weiß ich, weil die dann immer so eine begeisterte e-mail schreiben.
Also zur Post gelatscht und mich beschwert und Päckchen abgeholt und Briefmarken gekauft.
Mal sehen, jetzt habe ich auch noch die zwei letzten Ellis-Romane vor der Nase liegen, erstmal lese ich jetzt "The Informers" und danach "Glamorama" und stelle fest, ob mich das wieder in so eine die-Welt-ist-schlecht-böse-und-ignorant-und-ich-bin-die-Schlimmste-Krise stürzen wird.
Hier liegt alles bereit, Strick, Tabletten, Taschentücher, Milka. Krise kann kommen. Sogar Hagebuttentee.
Außerdem habe ich gemerkt, daß ich Depp die ganze Zeit die Tabletten gegen Seekrankheit gegen meine Rückenschmerzen genommen habe, weil ich die Beipackzettel weggeschmissen habe. Zumindest war mir die ganze Zeit kein einziges Mal schwindelig.
Ist auch nicht so schlimm, mal so zur Post zu gehen, ein Päckchen abholen ist ja auch sehr schön, wen man so wichtig den orangefarbenen Zettel über den Tresen schiebt und dann ein fettes Paket in die Hand gedrückt bekommt. Geiles Gefühl, Päckchen kriegen ist super.
Noch besser ist es, danach gleich einkaufen zu gehen und das Päckchen einfach in die Tasche - also, nicht in die Einkaufstasche - zu tun. Dann packt man zuhause alles aus und findet dann, ganz am Ende, wenn der Salat schon im Kühlschrank ist, noch das Päckchen wieder. Doppeltes Freufreu.
Ich SOLL jetzt aber nicht wieder Bret Easton Ellis lesen, ich soll doch was für die Uni tun...

...vielleicht im Gegensatz zu Danto sehe ich kein Manko darin, daß Nietzsche seine philosophischen Aussagen - ich möchte bewußt aus eben diesem Grund den Begriff "Theorie" vermeiden - nicht in ein System einbettet. Er KANN an gar nichts glauben, d.h. er kann keine Theorie aufstellen, er kann nur - hier und da, auf unterschiedlichsten Gebieten - die bestehenden Wahrheiten - und viel tiefgehender - die Legitimation von Wahrheit an sich behandeln. (um S. 46 herum)...

Hagebuttentee schmeckt nicht, muß wohl länger ziehen.


Sabine Weber Hamburg - - 20.10.00 at 13:44:02




Wieder Reisen und doch zu Hause sein.

Mit den Motorraedern auf einen sehr hohen Berg gefahren und von einem Moench eine weisse Schnur um das Handgelenk gebunden bekommen. Den Knoten macht er im Rhythmus von Worten. Ein Zauberspruch. 'Und warum muessen Frauen das Band links tragen?,' fragt mich meine Tochter. Sie hat einen starken Sinn fuer die Ungerechtigkeiten des Buddhismus. Ueberhaupt Ungerechtigkeiten gegenueber Frauen.
'Ach nee, jetzt kommt der schon wieder!', dabei komme ich nur zur Tuer rein. Das wird eine lustige Pubertaet, sie ist Drei.
Mein Sohn dagegen sagt: 'Komm schon, du brauchst ja so lang wie eine Frau im Bad!' oder: 'Also, du weisst, keine Steine im Glashaus werfen!' Kein Mensch spricht deutsch hier und von mir hat er das nicht. Wahrscheinlich habe ich es ihm im Daemmer vor dem Schlafengehen vorgelesen: er lernt im Moment alles aus Micky-Maus Heften. Das erinnert mich an den Sohn von Nico (Velvet Underground), der wurde auch nur mit Pommes grossgezogen.
Der Moench uebrigens spritzte gerade uns, absichtlich viel Weihwasser ins Gesicht. Danach stracks zu dem Wasserfall, von dem es heisst, boese Geister wohnen da. Alles wieder im Gleichgewicht.
Wuerde man die Dinge von der Seite der Schicksalsfuegung betrachten, waere unser Zoobesuch heute ein Zeichen hoeherer Gerechtigkeit? Der Zoo hatte ungefaehr die Flaeche Berlins und die Berge Stuttgarts, und wir waren die Einzigen darin, die zu Fuss waren. Nicht verschwitzte, froehliche Thaifamilien fuhren in ihren angenehm temperierten Autos an uns vorbei und winkten.


Sven Lager - Chiang Mai - 20.10.00 at 16:15:21




I Love The Nightlife pt.6


Andrian Kreye, NY - - 20.10.00 at 16:19:07




Lieber Helk,
ich habe dich keineswegs vergessen, nur hast du dich verabschiedet, als ich gerade aus dem Haus ging. Schade dass du gehst. Ein Wiedersehen gibt es auf jeden Fall. Bis bald,


Sven - 20.10.00 at 16:19:23




1
Sie wirkt ein bißchen hektisch, wie sie ihre Tasche und die weiße Papiertüte mit dem Aufdruck "Poland" zwischen den Sitzen verstaut. Als ein Mann im dunkelgrünen Tweedanzug an ihr vorbeigeht, muß sie sich quer stellen.
2
Ihr Blick sollte zuerst strafend sein, denke ich. Sie hat schließlich gerade zu tun. Dann erkennt der Mann sie, und sie schaut auch genauer hin. Hände werden geschüttelt. Er blickt sie lange an, als freue er sich besonders, sie zu sehen. Ihre gelassene Stimme straft die Unruhe von eben Lügen, so freundlich klingt sie.
3
Sie sagt: "Sie sind mein ehemaliger Frauenarzt, nicht wahr." Und zu mir, als sie bemerkt, daß ich zugeschaut habe: "Wegen dem kann ich keine Kinder mehr kriegen."
4
Dann nimmt sie den noch halb gefüllten Pappbecher vom Nebensitz und sucht im Abteil einen Mülleimer.


Carmen Samson Berlin - - 21.10.00 at 12:31:37




Freitag, der 20.10.2000

Mei, wie die Zeit vergeht! nur noch eine Woche, dann habe ich auch den verschobenen Termin zur Abgabe der Zwischenprüfung verpennt.
B.E.E. ist öde, ödeödeöde. Immer dasselbe. Und macht immer traurig. Vielleicht, weil ich die Witze nicht verstehe. Raymond is a real estate tycoon and worth 2 billion Dollar. Dirk is worth four thousand dollars and some change. Paul is worth a couple of falafels and no beverage at Soundso's. Was haben wir gelacht, was ist das auch gesellschaftskritisch. Warum lese ich das denn auch?
Weil neben dem Bett noch immer "Schuld und Sühne" liegt und das viel schöner ist, aber genauso anstrengend und ich das dann lesen müßte und wenn ich noch ein weiteres Buch anfange, dann geht das nur, wenn ich das auf einen Sitz durchlese, sonst ist das Verrat an den anderen Büchern und außerdem habe ich dann dasselbe Problem wieder. Und außerdem soll ich Nietzsche lesen. Ich beiß gleich in die Tischkante, vielleicht hilft das.
Natürlich kann ich mich glücklich schätzen, wenn das meine einzigen Sorgen sind, aber wenn ich jetzt anfange, alle Bücher beiseite zu legen und darüber nachzudenken, wie es mit den echten Problemen ausschaut, dann käme ich ja auf Dinge wie Müll trennen, mich politisch engagieren, gegen Atomkraft zu demonstrieren, und all die Sachen, die echt wichtig sind, aber das traue ich mir nicht zu. Geht ja gar nicht. Ich stelle mir vor, wie ich zu eine Demo gehe, sagen wir, gegen - ach, egal gegen was - und dann unterhalte ich mich da mit irgendwem und merke, daß ich gar nichts kapiert habe und dann erzähle ich am besten noch, daß ich für eine Bank gearbeitet habe und dann erfahre ich, daß aber nun gerade DIESE Bank die allerschlimmste ist, und dann gucke ich auf meine Schuhe, und der Gesprächspartner sieht die auch und sagt, daß ja nun gerade DIESER Konzern und außerdem esse ich noch immer die genmanipulierten Tacochips.
Wäre ja alles noch zu ertragen, wen ich all diese Macken und Mängel bei MIR finden würde, was ich ja tagtäglich tue und wahlweise gepflegt verdränge oder genüßlich pflege, aber das Dumme ist ja, daß die ANDEREN genauso sind. Schön zur Demo gehen und so lange man noch nicht genug Geld hat, weil Studi, auch immer schön Fahrrad fahren, aber schwupp, kaum haben wir ein bißchen Geld, Auto gekauft und alle Prinzipien vergessen. Wir sind ja so beschissen käuflich...

Also lieber wieder zurück zu B.E.E. und den anderen Größen, dann kann ich sagen, naja, also ICH mache das ja INTELLEKTUELL, also, sozusagen, THEORETISCH. Ich muß nur erst das SYSTEM durchschauen, dann fange ich an, was zu ändern. Genau, so wird's gemacht.

Abends:

Ich fühle mich leer, ausgebrannt und traurig. Das mit Jan ist nicht so einfach, nicht, daß er mir fehlt, nein. Es ist nur dieses Gefühl des Verlassenseins, ich sitze hier total allein herum und kann nichts tun. Kann einfach nichts tun, ich müßte lernen und auch das gelingt mir nicht so gut.
Bin ja auch den ganzen Tag hier drin und allein, so geht das nicht weiter.

Samstag, der 21.10.2000

Ich bin zu pleite, um mir die Solitaz zu kaufen. schade. Und zu pleite, um zur Expo zu fahren. Nicht so schade.
Merkwürdige Stimmung ist hier gerade, leise AIR im Hintergrund, blendendweißer Himmel draußen. Und alle Leute, die ich beim Einkaufen getroffen habe, waren merkwürdig agressiv. Nur als ich auf Lisa gewartet habe und auf dem Poller gesessen habe, da haben mich ein paar Typen interessiert angeguckt, besonders die Krokostiefel. Die sind aber auch geil, besonders zu dem langen schwarzen Mantel und den verhedderten, ungekämmten Haaren. Schlampe pur.

Ich habe mich gestern mit Markus getroffen und es war wie immer. Ich kann ihn nicht ansehen, ohne daß ich ihn anfassen will, ihn ausziehen will, mit ihm schafen will, ihn küssen will, seine Haare wuscheln will und ihm stundenlang in die Augen sehen. Wir haben uns lange unterhalten, vorm bp rumgestanden, Caipis getrunken und zwei Frauen getroffen, die auf mich zukamen, weil sie meinten, ich könne sicher gut einen Joint bauen (ich sags ja, Krokostiefel, Mantel, Fledderhaare...). Kann ich nicht, aber Maurice war in der Nähe, der baut 1a Joints. Ich also schnell rein ins bp, Maurice die Lage erklärt und er kommt gleich mit raus und baut denen einen schönen fetten Joint. "Die können wir vom Boden kratzen" meinte er. Und was ich denn schon wieder mit Markus will. Das übliche, hab ich gesagt. Ein gutes Gefühl, mit Markus rumstehen und von Maurice beobachtet werden. Und dann habe ich Markus gesagt, daß ich ihn gerne küssen möchte und ich hab den Satz kaum zuende gesprochen, da habe ich schon seine Zunge im Hals.
Wir sind dann bald raus und haben uns ein Taxi gesucht und sind zu mir gefahren. Da sind wir dann übereinander hergefallen, aber es ist immer das selbe, Sex wie mit einem Legostein. Aber einschlafen kann man toll mir ihm, ganz wunderbar, angekuschelt, eine Hand überm Bauch, ganz warm und nett.
Komisch, kaum ist Jan weg, wird er reibungslos ersetzt. Einfach so. Kein Sex mehr mit dem, o.k., Kartei blättern, dann nehmen wir jetzt eben den.

Lisa meint, das sei so eine Art innerer Widerstand, als ich ihr erzählt habe, daß das mit Markus nie klappt im Bett. Es ging aber auch echt alles schief, erst muß ich aufs Klo, dann finden wir die Kondome nicht wieder, dann fängt meine Nase an zu laufen und zu kribbeln, dann übermannt mich die Müdigkeit und ich habe keinen Bock mehr.
Ich habe sie jetzt gebeten, mir das nächste Mal zu sagen, daß ich doch weiß, daß das nicht klappt und daß sie mir bitte gelbe Post-Its malt, die ich mir überall hinkleben kann, bevor ich mich mit Markus treffe, den letzten mit einem großen "Stop - das willst Du gar nicht", den ich mir auf die Unterhose pappen kann. Aber ich fürchte, auch das wird nicht helfen, denn jedesmal, wenn ich ihn sehe, will ich küssen, ihm die Haare wuscheln, ihm die Klamotten vom Leib reissen,...
auch wenn ich genau weiß, daß es eine erotische und anatomische und globale Katastrophe wird. Jedesmal wieder...


Sabine Weber Hamburg - - 21.10.00 at 20:16:47




Battle Of The Bands


Andrian Kreye, Georgia - - 22.10.00 at 06:50:56





Als wäre das Alter eine Mitte, um die sich verschiedene Leben drehen. Egal wie alt, jetzt 35, wie ein Kaleidoskop, nur mit verschiedenen Flächen rundherum, die Möglichkeiten. Einen Touristen beraten über Trekking zu den Bergvölkern des Nordens. Selbst nie so was gemacht. Bilder betrachten aus Japan von Cathy Skene. Wieder knutschen und mit Turnschuhen auf dem Bett liegen. So, lange nicht mehr gemacht. Die Kamera wieder auf andere Dinge richten.
Manchmal die seltsame Vermischung der Leben, die man tatsächlich lebt und die, an die man kurz denkt.
Einige Abende lang mit dem Motorroller über die warmen Straßen einer Kleinstadt gefahren. Eins mit dem Gefühl tatsächlich da zu leben, jeden Tag durch diese laue Luft zu fahren mit der angenehmsten Beiläufigkeit. Manchmal sehe ich die Kinder wie auf amerikanischen Vorstadtfotografien und bin glücklich. Schlampige Gärten mit alten Kleidern und riesige Kühlschränke mit Buchstabenmagneten, an denen die Polaroids der vergangenen Feste hängen.
So many options. Zum Denken. Plötzlich sehne ich mich wieder nach den Tagen ohne Essen aber mit Pulver- oder Pillendrogen, nach der Verlorenheit, der Kunst, nur mit wichtigen Gedanken zu leben. Nein, nach dem körperlichen Zustand. Den Sport hassen, den Sport lieben, je nach dem.
So schlecht träumen wir in den Betten auf unserer Reise, daß die Träume der ersten Nacht in einem Bett nie wahr werden dürfen. Dann von der Schule geträumt, Gesprächen, Konstellationen der Liebe, des Verrats, die nie stattgefunden haben. Als liefe ein FILM vor unserem sterbenden Auge. Dann sitzen wir im Park in der Hitze, beobachten riesige Goldfische und überlegen wie wir leben wollen. Alles. Wo, was machen, wo sind die Freunde, Schule, wo ist das Leben, das wir leben werden. Das Beste. Aber nichts beschließen.
Zurück: Alles genau richtig. Genau so. Die Musik macht es leicht, die Ruhe der Nacht, genau dieses Leben vor Augen jetzt, wieder zu Hause.
Nie aufgeben hundert Leben zu leben. Nie genug haben. Wahrscheinlich von gar keinem mehr verstanden werden. Auch ein Luxus.


1.Abb.: Elke hockt auf dem Tisch und telefoniert mit einer Spielzeugpistole in der Hand.

2. Abb.: Drei Stuardessen beobachten meine Tochter Luzie beim Schlafen.

3.Abb: Rainald im Frankfurter Hof. Beim Fotografieren hält er auch das Bier hoch.


Sven Lager - B. - 22.10.00 at 20:14:22